Ode an den Schnee

Christin Edlinger

von Christin Edlinger

Story

Meinen 25 Geburtstag werde ich nie vergessen, hat mir doch der Himmel ein ganz besonderes Geschenk gemacht, Schnee in Wien und zwar nur für wenige Stunden in meiner Geburtstagsnacht.

Ich liebe den Schnee über alles seit dem ich klein bin und lange bevor Lorelai aus „Gilmore Girls“ einen Kult daraus gemacht hat. Kaum schneit es muss ich ins Freie, die Schneeflocken auf der Haut spüren, das Knirschen beim Stapfen hören, im Schnee tanzen und mich wie ein Kind über jeden noch so winzig kleinen schneebedeckten Fleck auf der Wiese freuen. Woher diese besondere Zuneigung herrührt weiß ich gar nicht genau. Vielleicht liegt es daran, dass ich im Februar geboren bin oder dass ich schon als Baby, auf dem Schlitten liegend, bei den Schneewanderungen am Semmering dabei war oder dass wir auf der Almhütte, wenn im Winter das Wasserrohr zugefroren war, den Schnee zum Kochen verwendet haben. Doch wurde die Beziehung recht früh einseitig, denn aufgewachsen bin ich in Belgien und dort hofft man vergeblich, nicht nur zu Weihnachten, auf die weiße Pracht. Trotzdem habe ich all die Jahre hartnäckig daran geglaubt.

Die Wettervorhersage war alles andere als zufriedenstellend. Kein Schnee zu erwarten, weder an meinem Geburtstag, noch die Tage darauf. Da ich sonntags Geburtstag hatte, beschlossen wir hinein zu feiern. Am Weg zum Lokal sah es weiterhin nicht danach aus, dass es schneien werde. Die Luft roch nicht nach Schnee -und was das betrifft – habe ich eine Spürnase wie ein Hund. Meine Freunde, Familie und ich ließen es uns im Lokal richtig gut gehen. Ganz gleich wessen Geburtstag, welches Fest ansteht, ich finde es schön jede Gelegenheit zu nutzen, um gesellig beieinander zu sein. Wie sagt meine Cousine immer: „Feste muss man feiern wie sie fallen.“ Natürlich braucht man keinen Anlass, um sich zu treffen, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit bei Anlässen geringer, Sätze zu denken wie: „Ach, morgen ist auch noch ein Tag“, es sich dann gemütlich auf der Couch zu machen und das Treffen zu verschieben.

Als wir gut gelaunt das Lokal verließen, traute ich meinen Augen nicht. Schnee – eine weiße Schicht bedeckte die Straße. Was für ein Geschenk. Wir staunten nicht schlecht und fingen sofort an, unsere Arme auszubreiten, das Gesicht von den Flocken berieseln zu lassen und mit der Zunge zu versuchen, eine zu schnappen. Und da war er, dieser unbeschreibliche Duft von Schnee. Am Heimweg machten wir eine Schneeballschlacht in den verlassenen Gassen Wiens. Überglücklich und erfüllt von der tollen Überraschung ging ich ins Bett.

Am nächsten Morgen, nach Wegziehen der Vorhänge, das zweite Staunen innerhalb weniger Stunden. Kein Schnee. Ich sah auf den Boden, auf das Dach des Nachbarhauses, auf die Bäume,nichts, als ob es nie geschneit hätte. Kurz musste ich überlegen, ob dies alles ein Traum war. Nein, der Schnee war wirklich da gewesen, wie ein Geschenk, nur für mich. Ich hatte noch einen schönen Geburtstag und nächstes Jahr hoffe ich wieder auf die weiße Pracht.

© Christin Edlinger 2020-09-03

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