von Ina Broich
Ode sitzt neben Aba und weint. âWir mĂŒssen fort. Nur weg von hier!â Aba streichelt ihr ĂŒber den Kopf. âWohin sollen wir denn gehen? Es gibt keinen Ort fĂŒr uns.“ Ode schluchzt auf. âWir werden verfolgt, mit Steinen beworfen und im schlimmsten Fall getötet!â Sie springt auf und taucht ihren Kopf in den Bottich. Der Geruch von AbfĂ€llen hĂ€ngt in ihren Kleidern und sie reiĂt sie sich vom Leib. Mit der BĂŒrste schrubbt sie sich die Haut, bis es weh tut. Aba wickelt Ode in ein Tuch, nimmt sie in den Arm und fĂŒhrt sie zur Bank unter dem Baum im Hinterhof. Der vergangene Tag und die darauf folgende Nacht im MĂŒllcontainer zerren an Odes Nerven.
âSie werden herkommen.â Sie dreht sich zu Aba. âIch habe ihre Gesichter erkannt! Sibu und Thomas waren dabei! Irgendjemand hat uns verraten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie herausgefunden haben, dass ich mit dir befreundet bin und dann werden sie hier auftauchen.“ Odes Kopf sinkt auf Abas Schulter. FĂŒr einen Augenblick versinken sie in Schweigen. Aba holt von drinnen ein Kleid fĂŒr Ode. Das MĂ€dchen schlĂŒpft hinein und saugt den Duft ihrer Freundin in sich ein. Im Schatten des Baumes drohen ihr die Augen zuzufallen.
Mit einem Ruck setzt sich Ode auf. âIch muss gehen! Ins Namaqualand oder nach Ytzerfontain. Dorthin, wo uns niemand kennt.“ Das MĂ€dchen stemmt die HĂ€nde in die HĂŒfte. âKommst du mit?â Sie zittert am ganzen Körper, die Wunde am Kopf ist aufgeplatzt und Blut tropft in den Sand zu ihren FĂŒĂen. âAba, so sag doch was!â Jenseits der Mauer erklingt Stimmengewirr und Ode zuckt zusammen. âSie kommen, um uns zu holen!â Ode rennt zur gegenĂŒberliegenden Mauer und springt hoch. Mit den Fingern krallt sie sich oben fest und zieht sich hoch. Sie sieht zu Aba zurĂŒck. Wie erstarrt sitzt ihre Freundin da. âWorauf wartest du?â
Endlich kommt Bewegung in Aba und sie folgt Ode nach. Hand in Hand springen sie auf der anderen Seite herunter. Staub wirbelt auf. Sie laufen die StraĂe hinunter bis zum Busbahnhof. SchweiĂnass erreichen sie ihn. Der nĂ€chste Bus ist ihrer. Aba zahlt die Tickets und sie fallen auf die RĂŒckbank. âUnd jetzt?â Aba sieht durchs Fenster. Soweto fĂ€llt hinter ihnen zurĂŒck, wie auch ihrer beider Leben. Ode fasst nach Abas Hand. âWir haben immer noch uns!â Ein LĂ€cheln zupft an Abas nassen Lippen. An der nĂ€chsten Haltestelle zieht Aba am ATM ihr letztes Geld, MĂŒsliriegel und Wasser aus einem Automaten. Sie steigen in den Nachtbus Richtung SĂŒden. âWir mĂŒssen Arbeit finden!“ Abas Kopf sinkt ins Polster. Ode nickt. âIn Ytzerfontain finden wir hoffentlich etwas. Vielleicht in einem dieser Restaurants, die in den DĂŒnen liegen. Die Touristen geben bestimmt gutes Trinkgeld.â Ode zögert, dann spricht sie aus, was schon eine Weile an ihr nagt: âBereust du, mich zu lieben?“ Aba nimmt Odes Gesicht zwischen ihre HĂ€nde und lĂ€chelt. âNein, ich bereue nichts! Ich bin froh, dass du dem Mob entkommen bist. Das ist alles, was zĂ€hlt!â
Der Bus ruckelt durch die Nacht. Das einzige GepÀck der MÀdchen: Hoffnung und ihre Liebe zueinander.
© Ina Broich 2021-06-06