von Daniela-B
Es ist so heiß, daß die Luft zu flimmern scheint. Über mir wölbt sich der Himmel in Kobaltblau, darunter breitet sich das adriatische Meer wie ein glitzernder silberblauer Teppich aus. Es herrscht eine wunderbare Stille, nur vom Rauschen der heranrollenden Wellen unterbrochen. Unter mir drückt der einigermaßen unbequeme, felsige Boden. Ich habe eine Vertiefung gefunden, die mir gerademal Platz für mein Hinterteil bietet. Den Rücken schräg an den Fels gelehnt, die Beine leicht verrenkt, lehne ich in einer liegestuhlähnlichen Position auf meiner dünnen Badematte. Bequem ist anders.
Ich bin sieben oder acht Jahre alt, wir haben Mitte August und ich befinde mich auf Urlaub im damaligen Jugoslawien. Die Familie verbringt den ganzen herrlichen Tag in einer abgelegenen, menschenleeren Badebucht. Zeit zum Schnorcheln, Schwimmen, Paddeln, Lesen, Rätseln, Spielen oder einfach Nichtstun.
Die momentan wichtigste Beschäftigung ist die mittägliche Jause, zu der wir uns eng zusammengedrängt unter dem bescheidenen Sonnenschirm eingefunden haben. Einen Sonnenschirm im felsigen Boden zu befestigen, ist eine Kunst, die wir in vielen Jahren der dalmatinischen Küsteneroberung perfektioniert haben. Der Imbiss zur Mittagszeit besteht im Wesentlichen aus Fischkonserven, Dauerwurst, Streichkäse und Weißbrot. So sitze ich also in leicht verdrehter Position auf meinem felsigen Lager und widme mich in kindlicher Art hingebungsvoll meiner Ölsardine. Mit dem Campingbesteck trenne ich ein Stück des öltriefenden Fisches ab und befördere ihn vorsichtig in den Mund. Auf dem Weg dorthin tropft eine ordentliche Portion Öl herunter und landet sanft mitten auf meinem nackigen Bauch.
Der jährliche ausgedehnte Jugoslawienurlaub ist ein wertvolles Juwel der Familie. Vergessen sind die Strapazen der extrem langen Autofahrt, sobald wir unten angekommen sind. Was machen schon hitzebedingter Stress, verpasste Abzweigungen, viele Kilometer kurviger Küstenstraße, welche Kindermägen im Fond zum Umdrehen bringen, und nervenaufreibende Suche nach dem optimalen Campingplatz? Das ist alles nicht mehr wichtig wenn erst das Ziel erreicht ist. Vorbei sind Kinderstreit und familiäre Spannungen, vergessen und vorbei sind Belastungen aus Schule und Arbeit. Binnen kürzester Zeit schalten wir um auf Urlaubsmodus, machen Dinge so, wie wir sie nur im Urlaub tun und genießen das unbeschwerte Dasein weit weg von daheim.
Mein Blick schweift über die Küste zum undefinierbaren Horizont, wo sich das Blau von Himmel und Meer diffus vermischen. Ich höre das Anschlagen der Wellen, rieche das Meer, spüre die Wärme und die leichte, heiße Brise auf meiner Haut. Ganz tief atme ich Urlaub ein, reiße vom knusprigen Weißbrot einen Bissen ab und tunke damit die Öltropfen auf meinem Bauch auf.
© Daniela-B 2020-02-19