von Stefanie Borbe
Um mir eine kleine Auszeit zu gönnen, buchte ich mir an einem Spätsommerabend, eine Massage in einem Hamburger Hotel.
Ein bisschen eher angekommen, wollte ich noch den Wellnessbereich nutzen.
Keiner da. Allein. „Geil!“, dachte ich mir und genoss ganz relaxt, den ersten Saunadurchgang. Anschliessend duschte ich eiskalt, kuschelte mich in meinen Bademantel ein und machte mir einen Früchtetee.
Ich chillte auf einer Liege und war so tiefenentspannt, dass ich das Gefühl hatte, gerade ein ganzes Wellness Wochenende hinter mir zu haben.
Ab ging’s zum zweiten Durchgang in die Sauna. Nach ein paar Minuten gesellte sich ein Ehepaar dazu. Vielleicht so Mitte vierzig, schätzte ich die beiden ein. Er, mit seinem Tablet fest in der Hand verankert und wandte den Kopf nicht vom Display ab.
Seiner Frau war das sichtlich unangenehm. Doch außer ein leises: „Nicht in der Sauna, nimm dir doch ne Zeitung.“, war nix von ihr zu hören.
Nachdem ich nach dem ganzen Prozedere wieder auf meiner Liege lag, waren die beiden auch angekommen. In meinem Sichtfeld, mit dem Rücken zu mir. Er weiter am Tablet, sie guckte oft rüber, versuchte irgendwie seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch keine Chance. Sie gab schliesslich auf und schaute in ihrem Handy rum.
Mir fiel es sichtlich schwer, bei mir zu bleiben und die einstige Entspannung war schnell verflogen. Ich konnte meine Augen nicht von den beiden lassen, weil ich einfach zu neugierig war, was sich noch so entwickeln würde.
Er wurde sichtlich müder, schlief fast ein, was ich an seiner nickenden Kopfbewegung entnahm. Schliesslich trennte er sich von seinem Schatz, in diesem Fall das Gerät und legte es beiseite.
Keine zwei Sekunden später, schnarchte er und das nicht gerade dezent, so würde ich es mal ausdrücken. Erneut war es seiner Gattin unangenehm und so weckte sie ihn, mit leichtem Rütteln und ein Geflüster ins Ohr: „Schaaatz, Schatz, du schnarchst.“
Völlig aufgelöst, schreckte der gute Mann hoch. Orientierungslos schaute er sich kurz um und noch ein bisschen benommen, war sein erster Griff… zum Tablet. -Wow!
Irgendwie hatte er auch noch nicht mal ne richtige Aufgabe mit dem Ding. Scrollte nur durch seinen Maileingang, nochmal nach unten wischen, aktualisieren. Weiter wischen, völlig ziellos.
Echt traurig dachte ich. Aber es war auch genauso spannend, weil diese gesamte Situation für mich so unglaublich absurd war. – Besser als Kino.
Wie lange hält die Ehe noch? Gesund kann das doch nicht sein oder? Ich stellte mir ein paar Fragen, über diese mir völlig unbekannten Personen und deren Leben. Wie würde das so weiter gehen? Denkt sie schon über eine Trennung nach?
Immerhin waren wir doch in einem Wellnessbereich, wo man sich entspannen, für eine Zeit abschalten und sich von dem ganzen Arbeitsalltag erholen sollte.
Von weitem winkte mich meine Masseurin heran. Im vorbeigehen erblickte ich die beiden nochmal und wünschte ihnen gedanklich alles Gute und ganz viel Liebe für ihre gemeinsame Zukunft.
© Stefanie Borbe 2020-07-26