Wir tranken zu viel. Es war eine heiße Augustnacht und die Wespen, die sich auf der Suche nach Zucker in unseren Flaschen verirrten, wurden von uns darin eingeschlossen, geschüttelt und mit Wasser zugeschüttet. Hätten wir uns lieber zwischen den pappsüßen Mischgetränken mit Wasser versorgt, anstatt die armen Viecher darin zu ertränken. Zwischen Ed Sheeran und Fergie tanzten wir zu Silbermond und fühlten uns richtig geil. Der kleine Garten gehörte irgendwelchen Eltern, die erst am nächsten Tag wiederkommen sollten. Wie im Film. Und wie im Film lag meine beste Freundin irgendwann auf der Wiese und reagierte nicht mehr auf mich. Die Lichterkette in den Büschen spiegelte sich in ihrem Glitzertop, das leicht verrutscht war.
„Lass sie, das ist normal“, lallte Dilara neben mir, während ich ihren Kopf auf meinen Schoß legte. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. „Bring mir sofort ein Glas Wasser!“, schnauzte ich und berührte leicht die Wange meiner Freundin. „Hey! Hey! Bist du da? Kannst du was sagen?“ Ihre Augen waren geschlossen und ihr Mund zuckte leicht. Ich horchte auf ihren Atem. Er ging sehr langsam. Oder? Scheiße, meine Welt schwankte doch auch. Dilara kam aus dem Haus zu mir gerannt. „Wir haben nur noch Leitungswasser.“ Sie reichte mir ein halbvolles Glas. Langsam versuchte ich meiner Freundin etwas davon einzuflößen. Es klappte nicht. Und was, wenn sie daran erstickte? Mittlerweile hatten auch die anderen mitbekommen, dass etwas nicht stimmte und ein paar standen um uns herum. Ich horchte wieder auf den Atem meiner Freundin. Er klang röchelnd. Ich bekam Panik. „Können wir ihre Eltern anrufen oder so?“, fragte jemand. Ich schüttelte heftig den Kopf. „Die bringen sie um. Sie dürfen sie so nicht sehen“, antwortete ich. Meine Hände zitterten. Ich strich über ihr Haar. Dann dachte ich an meine Mutter. Sofort verwarf ich den Gedanken wieder. „Sollen wir einen Krankenwagen rufen?“, fragte jemand anderes. „Keine Ahnung man!“, rief ich laut und raufte mir die Haare. Meine Mutter würde mich auch umbringen. Oder? Ach scheiße. Ich kramte mein Handy aus meiner Hosentasche und suchte die Nummer raus. Ich hörte meine Freundin laut einatmen und schreckte auf, als ich plötzlich sah, dass man das Weiß in ihren Augen sehen konnte. Sie waren halboffen. Die anderen begannen durcheinander zu reden. Ich starrte die Zahlen auf meinem Display an. Sie verschwammen leicht. Sie würde mich umbringen. Ganz sicher. Aber ich muss.
„Ja? Warum rufst du so spät an?“
„Mama, ich brauche deine Hilfe.“
Schweigen am anderen Ende. Mein Herz schlug mir bis an die Gurgel.
„Was ist passiert?“
Ich erklärte es ihr und versuchte so nüchtern wie möglich zu klingen. Sie klang überraschend sanft, als sie antwortete. Sie beschimpfte mich nicht. Sie schrie mich nicht an. Im Gegenteil. Sie sagte: „Es wird alles gut. Ich komme sofort vorbei. Bleib bei ihr und pass auf, dass sie seitlich liegt, okay?“
Ich schluckte. Ich wollte heulen. „Okay.“
„Ich bin gleich da.“
© Yasmin Abbas Mohammad 2022-08-27