von Giggu
Wir hatten zu Weihnachten nie einen Tannenbaum, immer eine kleine Fichte. Was uns aber nicht daran hinderte, am Hl. Abend vor dem Christbaum “Oh, Tannenbaum” zu singen. Scheinbar war es mit unserer Musikalität nicht sehr weit her, das Bäumchen verlor vor Schreck ziemlich viele Nadeln. Einige dieser Nadeln versteckten sich sehr gerne vor dem Staubsauger, sodass wir gelegentlich noch zu Ostern etwas davon hatten.
Einmal im Advent besuchte uns meine Tante, sie war die ältere Schwester meiner Mutter, mit ihrem kleinen Sohn Peterl. Die beiden blieben auch am Hl.Abend bei uns. Mein Cousin und ich waren im Kindergartenalter. Peterl wurde erklärt, dass das Christkind wüsste, dass es sein Geschenk hier herbringen muss. So ein Christkind weiß einfach alles.
Hl.Abend – die Dämmerung war endlich hereingebrochen und das Warten auf das Himmlische Kind ging dem Ende zu. Mein Vater machte sich im Zimmer, wo das Christkind landen sollte, zu schaffen. Wir hörten ihn rumoren und das Fenster aufmachen. Mit irgendjemandem plauderte er leise. Das konnte nur das Christkind sein. Die beiden MĂĽtter saĂźen ja in der KĂĽche beim Tee. Peterl und mich freute es gar nicht zu spielen, weil wir so voller Erwartung waren. AuĂźerdem wussten wir, dass ein Glöckchen läuten wĂĽrde und das wollten wir nicht ĂĽberhören. Peterl hielt es nicht aus und pirschte sich ans SchlĂĽsselloch heran, worauf ich ihn – ganz hysterisch – von der TĂĽre weg zog. Wusste ich doch, dass, wenn man das Christkind beobachtet, alles wieder weggezaubert wird! Nur Erwachsene dĂĽrfen das Christkind sehen. Ich freute mich schon sehr darauf, später einmal mit dem Christkind sprechen zu können.
Daraus ist, wie ihr wisst, nichts geworden. Und das war gut so. Hätte ich nämlich später dann ernsthaft immer mit einem Christkind gesprochen, dann hätte man sich Sorgen um mich gemacht.
Aber ich schweife ab.
Das Glöckchen hatte endlich zur Bescherung geläutet, wir durften eintreten und standen fasziniert vor dem festlich geschmĂĽckten Baum. Im Lametta spiegelte sich der Kerzenschein und die Sternspritzer sprĂĽhten silbrige Funken. Nun sangen wir “Stille Nacht” und “Oh, Tannenbaum” vor der kleinen Fichte, die auf einem Beistelltisch stand und fĂĽr uns Kinder dadurch groĂź wirkte. Darunter waren Päckchen. Was jeder bekam, weiĂź ich nicht mehr genau. Nur das Geschenk fĂĽr meinen Vater, das weiĂź ich noch, weil es mir so gut gefiel: Ein Tannenzapfen! In GrĂĽn! Aus Glas! Waldgeruch! (Pino Silvestre – after shave).
Peterl und ich hatten irgendwelche kleine Figuren bekommen, mit denen man alles Mögliche anstellen konnte. Zum Beispiel physikalische Versuche. Ja, wir dürften wissenschaftliche Talente gewesen sein, weil: Welche Kindergartenkinder befassen sich schon mit der Fliehkraft?
Wir setzten unbemerkt unsere kleinen Figuren auf Vaters Schellack-Platten-Teller, dessen Geschwindigkeit man stufenlos langsam erhöhen konnte…bis die Figuren unfreiwillig wegflogen. Zentrifugal-Spaß!!!
© Giggu 2020-12-22