von Petra Baumann
Nach dem Besteigen eines Berggipfels im goldenen Oktober mache ich mich auf dem Weg zurück über eine sehr grobe und buckelige Mautstraße ins Tal. Zum Glück hab ich mir Papas Landrover ausgeborgt, denn mit meinem kleinen Auto hätte ich diese Straße mit den vielen Schlaglöchern nicht passieren können. Nach nur fünf Minuten fällt das Radio aus. „Komisch“, sage ich laut. Plötzlich höre ich ein lautes Rattern, das nicht mehr aufhört und der Wagen stirbt ab, einfach so. Ich versuche mehrere Male das Auto anrollen zu lassen, aber vergebens. Zum Glück kann ich mich in einer Kurve auf die Seite stellen und versuche die Motorhaube zu öffnen, um nachzusehen, ob sich vielleicht irgendeine Sicherung bei der Batterie gelöst hat. Doch es ist schwerer als gedacht, denn den beschissenen Griff für die Öffnung der Motorhaube kann ich nicht finden. Ich rufe Papa an, er kann mir auch nicht helfen. “Na super!” ,nach ein paar Minuten weiterer Suche schaue ich mir auf YouTube ein Video an und muss lachen. Dieser Griff befindet sich einfach auf der Beifahrerseite. Ich pruste los. Endlich öffne ich die Motorhaube und kann aber nichts sehen, das liegt wahrscheinlich auch zum Teil daran, dass ich einfach nicht weiß, wonach ich suchen muss. Endlich kommt von oben ein Auto. Es ist die Familie, die ich bei der Wanderung überholt habe und dann am Gipfel getroffen habe. Doch sie fahren einfach vorbei. Innerlich steigt mir die Wut in alle Gliedmaßen. Wie kann es bitte sein, dass man keinen hilft, der am Straßenrad auf so einer wackeligen Mautstraße steht und in die Motorhaube guckt und noch hinzu völlig inkompetent für Reparaturen am Auto ist? Nach ein paar Minuten höre ich wieder ein Motorgeräusch, diesmal von unten. Es kommt langsam näher. Es ist ein Bauer mittleren Alters mit einem Traktor, hinter ihm fährt ein Auto nach, in dem ein junger Mann sitzt. Beide glotzen mich nur an, der hintere winkt und schwupp, sind sie auch schon wieder an mir vorbeigefahren. Wieder ärgere ich mich, denn ich bin in diesem Ort aufgewachsen, wohne zwar seit 12 Jahren nicht mehr hier, aber fahre mit einem Auto, dass eine “einheimische” Nummerntafel trägt. Weitere fünf Autos fahren einfach so an mir vorbei. Ich habe mir immer gedacht, in einem freundlichen Ort am Land aufgewachsen zu sein, wo jeder Mensch hilfsbereit ist, falsch gedacht. Oder sehe ich bereits nicht mehr “einheimisch” aus? Viele solche Gedanken kreisen in meinem Kopf, doch was soll ich nun tun? Der Pannennotdienst braucht hier hoch bestimmt mehr als zwei Stunden, also beschließe ich, das Auto bis zum Schranken rollen zu lassen und den Rest des Weges einfach zu Fuß zu gehen. Unten angekommen merke ich, dass ich schweißgebadet bin. Ich parke das Auto einfach am Straßenrand und gehe zu Fuß weiter. Auch hier kommt niemand auf die Idee, mich mitzunehmen, obwohl der Weg bis nach unten bestimmt drei Kilometer lang ist. “Ach wie schön ist es hier am Land”, schreie ich laut und freue mich, wenn ich wieder zu Hause bei meinem Mann bin.
© Petra Baumann 2022-11-04