Ohne Wiederkehr

Ulrike Puckmayr-Pfeifer

von Ulrike Puckmayr-Pfeifer

Story

Die Vergangenheit ist nicht vorbei. Sie ist nicht einmal vergangen. Wer die Vergangenheit nicht kennt, muss sie wiederholen. Frei nach Shakespeare: »Das ist der Fluch der Zeiten, wenn Irre Blinde leiten.« Größenwahn und. Realitätsverlust bestimmen den Lauf der Geschichte.

Die Gedanken fallen müde und schwer auf die sonnenverbrannte Erde, aus der stumme Schreie dringen, leise, kaum wahrnehmbar. Stimmen aus längst vergangenen Zeiten.

Wo sind sie alle, die Gefallenen, die Vermissten, aus dem Leben gerissenen und von Kriegen verschluckten Väter, Söhne, Brüder?

Lange Listen von Gefallenen und Vermissten auf den Kriegsdenkmälern in jedem Dorf. Vom Ersten Weltkrieg kürzer. Vom Zweiten fast doppelt so lang. Gestohlene junge Leben, hineingeworfen in einen mörderischen Vernichtungskrieg.

Einmal zogen mich die vielen Lichter vor einem Kriegerdenkmal in einem kleinen burgenländischen Dorf magisch an. Es war Allerseelen. Da stand ich nun vor den Fotos von vier jungen Männern, vier Brüdern, alle an den schrecklichen letzten Krieg verloren.

Ich denke an Walter, den Sohn meiner Großtante Anna, der mit 17 Jahren den Einberufungsbefehl erhielt, in den letzten Kriegstagen, als es keine Chance mehr auf einen Sieg gab. Vermisst. Nie wieder zurückgekommen. Untröstlich seine Mutter bis in den Tod.

Trauer ergreift mich, umspült mich wie ein tosender Sturm, der mich hineinzuziehen droht in das unvorstellbare Leiden der Betroffenen. Gestorben für eine machtbesessene, narzisstische, menschenverachtende Machtelite, die sich zum Herr über Leben und Tod aufspielte. Ein durchorganisiertes System, in dem das Denken, Fühlen, Sprechen und Handeln in strenge Nomen gepresst war. Ein Entkommen nicht möglich. Und wenn, unter Todesgefahr. Von propagandistischer Gehirnwäsche gefügig gemacht, zurechtgebogen und hineingeworfen in Todeszonen ohne Wiederkehr. Unter dem Deckmantel der Pflicht, für das Vaterland zu kämpfen und zu sterben. »Den Heldentod gestorben« lese ich immer wieder auf den Grabsteinen, wenn ich durch Friedhöfe gehe. Was für ein Zynismus, denke ich und gehe weiter am Meer der Toten vorbei, die mich aus einer anderen Welt anwehen, einem zarten Lufthauch gleich. Ich mag Friedhöfe. Sie strahlen so viel Ruhe aus. Mystisch schön, Schauplatz sagenumwobener gespenstischer Geschichten und von wilden Fantasien durchzogene Romane und Erzählungen. Gruselig, Angst machend, geheimnisvoll. Ein Spiel mit dem Tod. Eine Begegnung mit dem Tod. Vorweggenommener Versuch, dem Tod seinen Stachel zu nehmen.
In der Bibel steht: »Du sollst nicht töten!« Nach dem Zweiten Weltkrieg hieß es »Nie wieder Krieg!« Und doch: Vergessen, verdrängt oder nicht ernst genommen. Weiter geht das Sterben, das Blutvergießen auf rot gefärbter Erde.





© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2025-01-31

Genres
Spiritualität
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Dunkel, Emotional, Inspirierend
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