“Una bella Signorina geht ĂĽber’n Boulevard…” Ich habe das Lied noch heute in den Ohren, das Willy Michl gern den kurzberockten weiblichen Wesen auf dem Zirkusplatz hinterher sang und sein lang gezogenes, gellendes “Ääääävi”. Dieser Schrei galt seiner damals aktuellen Frau Eva, einer Ex-Primaballerina am MĂĽnchner Gärtnerplatz-Theater.
Daraufhin stöckelte sie flugs in bordeauxroten Gummistiefelchen über den vom Regen aufgeweichten Boden, um ihrem Meister zu Diensten zu sein. Auch sie, die Michls, gehörten zu Rolf Bengerts Truppe, die in friedlicher Absicht gekommen waren, den Volksgarten in Beschlag zu nehmen.
Heute hätte sich Michl statt eines Wohnwagens vermutlich ein Tipi aufgestellt, schlieĂźlich ist er in späteren Jahren zum Isar-Indianer mutiert, nennt sich jetzt “Sound of Thunder” und trägt Adlerfedern im langen Haar. Damals trug er ĂĽber seinem kurzgeschorenen Kopf ein rotes Stirnband und firmierte als weiĂźer Ne… (so steht’s auch im Programmheft) – eine Bezeichnung, die man in den 1980ern noch ungestraft verwenden durfte.
Willy Michl hatte im “Tabarin” in München in jungen Jahren das Lebensgefühl und die Musik der schwarzen Besatzungssoldaten inhaliert und festgestellt: “Ois is Blues”. Daraufhin begründete er ein neues Musikgenre, den bayrischen Blues. Rolf Bengert leistete ihm dabei mit seinen erdigen Texten Schützenhilfe. Mit dem ”Bahnhofsblues” zum Beispiel. Der Bayrische Rundfunk ernannte Michl zum Bluesbarden, einen Titel, den er sich mit Stolz wie ein Federl an den Hut steckte.
Entdeckt wurde er von Produzent Gerhard Mendelson. Mit ihm nahm er 1974 die LP “Blues goes to Mountain”, für die Bengert auch den Titelsong textete, und “Blues & Balladen” auf. Mendelson war Jahrzehnte lang eine große Nummer im Showbusiness. Er hatte in den 1950ern Peter Alexander und Peter Kraus zu Stars gemacht und produzierte in den 1960ern Hits für Gus Backus und Freddy Quinn. Zwei Jahre später, nach dem Tod von Mendelson, entschied sich Michl allerdings für die Unabhängigkeit.
Lange bevor er Indianer wurde, wurde er Indie-Artist und produziert und vermarktet seitdem seine Platten selbst. Ganz nach der Devise: “I mecht so gern a Wuidpferdl sei.“ Logisch, dass Bengert seinen alten Spezi auch fĂĽr das Teatro Spettacolo anheuerte. Bayrischer Blues, der war in diesen Breiten noch unbekannt, stieĂź aber beim Publikum auf groĂźes Interesse.
Bengert und Michl – das war ein Paar wie Blitz und Donner. Trotzdem verloren sie sich in den Neunziger Jahren aus den Augen und aus den Herzen. Ihre Lebensstile waren nicht mehr kompatibel. Das ging so weit, dass Michl nach Bengerts Tod bei der Neuaufnahme von “Blues goes to Mountain” doch tatsächlich vergessen hatte, von wem die Texte eigentlich stammten. Ja, vergessen! Indianer-Ehrenwort! So rechtfertigte sich Michl vor Gericht. Dorthin hatte ihn Bengerts Erbin gebracht. Um des guten Namens und nicht der Tantiemen willen, wie sie zu Protokoll gab.
© 2022-04-25