von Natalia S.
Monate und Jahre können so zügig vergehen, wie der Sommer in jedem Jahr. Falls du aber denkst, dass ich mit den vergangenen Jahren gelernt habe, meinen Schlüssel an einen leicht zugänglichen Ort meines Rucksacks oder meiner Tasche zu legen, dann irrst du dich leider. Ich habe vieles gelernt. Ich packte also heute vor der Haustür all meinen Einkauf auf die Straße, um meinen Schlüssel von unterstem Ende meines Rucksacks herauszuholen, als ich aus dem Blickwinkel Christine zu Haustür zukommend sehen konnte. Ich begrüßte sie verlegen, doch wirklich peinlich war mir es nicht. Christine ist meine Mitbewohnerin und mittlerweile ist weniges chaotisches, dass sie so aus meinem Leben mitbekommt mir peinlich. Ihrer Mutter geht es übrigens besser, sie lacht mehr meinte Christine und ich finde es als eine schöne Aussage so den mentalen Zustand einer Person zu beschreiben. Sagen zu können, dass jemand mehr lacht als sonst. Wenn ich dir so schreibe, frage ich mich, ob ich eigentlich mit den Jahren mehr lache, oder ob mich Menschen generell als lachend beschreiben würden. In meiner Arbeit zeichnen mich oft Kinder und es berührt immer mein Herz, wenn sie zu meinen braunen Locken auch ein lachendes Gesicht zeichnen. Sie müssen mich also als lachend wahrnehmen.
Ich sollte dir wohl erklären, mit wem ich gerade zusammenlebe. Christine habe ich tatsächlich an der Universität kennengelernt, sie studierte ebenso auf Lehramt wie ich und relativ am Ende unseres Studiums absolvierten wir an derselben Schule unser Abschlusspraktikum. Wir waren beide sehr nervös und wahrscheinlich haben sich deshalb unsere Herzen so schnell verbinden können. Wir trafen uns oft auf ein Café und realisierten, dass wir beide slawische Wurzeln haben, wir beide unseren christlichen Glauben hingebungsvoll praktizieren und beide gerne Malen, was mehr als genügend Faktoren waren zu entscheiden, dass wir nun Freundinnen werden. Ein Jahr später wurden wir Mitbewohnerinnen und vielleicht eben deshalb, weil es klar war, dass wir nur für ein Jahr lang gemeinsam leben werden, bis ich heirate und sie für eine Lehrerfahrung in die U.S.A. zieht, wir unsere kleine Wg besonders genießen. Es ist schön eine Mitbewohnerin zu haben. Sie ist meine erste und wird meine einzige Mitbewohnerin gewesen sein. Ziemlich bald habe ich keine Mitbewohnerin mehr, sondern einen Mitbewohner. Dieser Gedanke verunsichert mich manchmal. Sie fragte mich während wir in die Wohnung gingen, ob wir denn nicht doch unseren monatlichen Mädels-Mal-Abend um einen Tag verschieben können und ich war ganz stolz auf mich es geschafft zu haben, ihr zu kommunizieren, dass mir in meiner stressigen Verlobungsphase ein Terminwechsel doch ungünstig liegt, ich es aber ihr zuliebe schaffe, meine Woche nochmal umzuplanen. Unsere Mädels-Mal-Abende sind definitiv etwas, was ich aus unserer gemeinsamen Zeit in der Wohnung vermissen werde. Wir luden immer um die vier Mädels ein und malten gemeinsam auf mittelgroßen Leinwänden und tranken Wein. Es waren immer tolle Abende und die Früchte dieser Abende, also die fertig gemalten Gemälde waren wahrhaftig bewundernswert. Es waren Abende der Ermutigung und der Freiheit, in der künstlerische Blockaden zerbrochen werden konnten und in einer lockeren Atmosphäre tiefe Gespräche entstehen konnten.
© Natalia S. 2023-08-31