Olá Portugal!

Mira_Solis

von Mira_Solis

Story
Portugal 2019

Als Kind zweier Nationen fühlte ich mich irgendwie immer fremd. Nicht nur, dass ich anders aussah, meine Familie war einfach besonders. Ich wuchs im Spannungsfeld der österreichischen Vernunft und der südländischen Unbekümmertheit auf.
Sehr zum Leidwesen meiner Mutter und Tanten waren meine Onkel immer zu allerhand Schabernack aufgelegt. Es wurde niemals langweilig und man dachte selten weiter in die Zukunft als bis zur nächsten Mahlzeit, die obendrein auch oft sehr lange auf sich warten ließ – Ja, ja! Wir grillen gleich! Aber insgeheim liebten sie es doch, denn wir hatten immer etwas zum Lachen und die Österreicher gehen ja bekanntermaßen zum Lachen in den Keller.

Umso weniger erstaunlich war es dann, dass ich mich ausgerechnet in Portugal wiederfinden würde. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine Autofahrten quer durch die Landschaft im Alentejo und wie verbunden ich mich dabei mit diesem Land fühlte, ganz ohne Menschen um mich herum. Das ist ein Gefühl, das nicht nur tief im Herzen sitzt, sondern auch im Bauch, in den Armen und bis in den Kopf hinauf strahlt. Es ist Gewissheit, Nestwärme, Zuhause.
Aber auch die Menschen lernte ich lieben. Freundlich, neugierig, mit einer Offenheit, die manche vielleicht als zu aufdringlich empfinden würden, immer zum Scherzen aufgelegt und Einladungen zum Essen, die nicht nur eine reine Floskel waren.
Entgegen dem südländischen Stereotyp sind die Portugiesen ein sehr arbeitsames Volk. Auf der Farm gab es immer allerhand zu tun und obwohl uns immer Blödsinn einfiel, wurde die Arbeit bis spätabends erledigt. Nichts war schöner, als mit Miguel und João bei der Arbeit herumzublödeln. »Então?«, eine Frage, die ihre Bedeutung erst durch das schelmische Lächeln bekam, das sie begleitete.
Der einzig gute und akzeptierte Grund, früher von der Arbeit zu gehen, war die tourada. So erlebte ich meinen ersten portugiesischen Stierkampf und obwohl mir der Stier natürlich leid tat, konnte ich nicht umhin, den Mut, die Wendigkeit und Anmut der portugiesischen Pferde zu bestaunen, der Lusitanos.
In Portugal ist das Pferd noch tief in der Tradition des Landes verwurzelt, man ist besonders stolz auf seine eigene Zucht.
Zu Weihnachten und Neujahr machten wir einen Ausritt zu den Nachbarn, die uns mit petiscos, kleinen Snacks, und Wein empfingen. Und wir ritten die Pferde gemeinsam mit den cabrestos, den Ochsen, um sie von einer vertrockneten Weide zur anderen zu bringen. Nie habe ich etwas Urtümlicheres erlebt – Mensch und Pferd gemeinsam bei der Arbeit, wie in längst vergangenen Zeiten.
Meistens genossen wir dann gegen zehn Uhr abends – Entschuldigung, nachts – mit der Belegschaft und den Gästen das herrliche Abendessen von Marianna.
Ich erinnere mich an bacalhau, leckeren Ofenkäse, Gemüsereis, frisches Brot, queijo de ovelha, pasteis de nata und vor allem an das Olivenöl, das so gut war, dass man es einfach nur mit einem Stück Weißbrot genießen konnte.

»Aber ich verstehe das nicht ganz. Weshalb bist du dann wieder zurück?« Noch ehe ich antworten kann, schaltet sich der Dritte im Raum ein: »Doch, ich verstehe das schon. Das ist wie ein guter Kinofilm. Ist geil, aber wenn er vorbei ist, bleibst du auch nicht sitzen.«

© Mira_Solis 2025-01-13

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Reflektierend, Unbeschwert, Inspirierend, Informativ, Abenteuerlich
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