von Sabrina Meinen
Sie liebt es. Es soll immer bei ihr sein. Im Kindergarten, im Urlaub, bei Oma und Opa. Nie will sie ohne es sein.
Mama und Papa sind stets darauf bedacht, es einzupacken.
„Hast du Olezahn?“
„Shit! Den habe ich in den Flur gelegt. Ich weiß nicht, ob ich ihn dann ins Auto geladen habe.“
Der Name Olezahn ist aus einem Fehler entstanden. Als in einem Kinderfilm ein Drache präsentiert wurde, verstand die Kleine „Olezahn“. Dabei sagte die Animationsfigur „Ohnezahn“.
Egal was Mama oder Papa sagten, es blieb bei „Olezahn“. Vielleicht ist ein Kindergartenkumpel namens Ole nicht ganz unschuldig an dem falsch verstandenen Wort.
„Halt an!“ Mamas große Augen deuten Ärger an.
„Mh, das geht nicht. Wir könnten zu spät kommen.“
Der Blick von Mama wird eindringlich. Um ihrer Aufforderung Nachdruck zu verleihen, legt sie ihre Hand auf seinen Arm und krallt ihre Finger in die nackte Haut: „Halt sofort an! Ich will nachsehen!“
„Mein Hasi, wir können doch nicht … bitte … wenn wir zu spät … okay.“ Zack kriecht Papa unter Mamas Pantoffel.
Als hätten sie eine Panne mitten auf der Autobahn, setzt Papa den Warnblinker und hält auf dem Standstreifen.
„Okay, du kannst …“ Ein giftiger Blick lässt ihn verstummen und erkennen, es liegt an ihm liegt, ob sie pünktlich zum Wettbewerb sind. „Sieh zu, dass Tamara nicht wach wird. Es war schwer genug, sie ins schlafend aus ihrem Bett ins Auto zu kriegen.“
Papa sieht seine Frau an. Am liebsten würde er sie daran erinnern, dass er die Tochter in den Van verfrachtet hat. Schnaubend dreht er sich zur Straße und wartet auf den besten Moment auszusteigen.
Mamas Zischen geht im Verkehrslärm unter. Es war sowieso nicht nett und könnte das eine oder andere Schimpfwort beinhaltet haben. Sehr bedacht darauf den größtmöglichen Abstand zu den rasenden Autos zu halten, schiebt er sich an seinem Fahrzeug vorbei. Nach einigem Fühlen an der Heckklappe, betätigt er den Knopf zum Öffnen und kann gerade noch rechtzeitig seinen Kopf zurückziehen, bevor ihn die Kofferraumklappe berührt. Zur Ergänzung des schwachen Lichts schaltet er seine Handylampe ein und leuchtet nach dem Kissen. Die Masse an Sachen im Kofferraum macht es ihm schwer. Er lädt das eine oder andere aus.
„Was machst du denn so lange! Wir müssen weiter! Wenn wir zu spät bei der Show sind, darf sie nicht auftreten!“ Laut dringt die Stimme seiner Frau an seine Ohren. „Wieso hast du die ganzen Sachen ausgeladen? Stell das sofort wieder zurück!“
Mit wackeligen Schritten auf 10 Zentimeter Pfennigabsätzen zwängt sich Mama zwischen Van und Leitplanke zu ihm. „Bist du wahnsinnig? Du kannst doch nicht das Make-up-Täschchen auf den Boden stellen. Das könnte umkippen oder Autobahndreck abbekommen. Wie immer bist du unfähig!“
Mit schnellen Bewegungen räumt die Frau ein paar Sachen wieder ins Auto, zerrt hier und da.
Währenddessen lehnt er sich mit hängenden Schultern an die Leitplanke und wartet ab.
© Sabrina Meinen 2023-08-19