Olfaktorische Erinnerungen

Walter Tiefenbacher

von Walter Tiefenbacher

Story

Es gab GerĂŒche in meiner Kindheit, die unbeschreibliches Wohlsein in mir auslöste. Das war beispielsweise der Holzgeruch im Schuppen meiner Großmutter. Geheizt und gekocht wurde seinerzeit mit Holz. In diesem Schuppen hielt ich mich gerne auf. Spielte mit den Holzscheiten und den Tannenzapfen. Schnitzte Schiffchen, die ich dann an den Badeteich mitnahm. Auch dieser hatte einen eigentĂŒmlichen Geruch. Eine Mischung aus Moder, Moos und dem Futter fĂŒr die Karpfen. In der Stadt gab es damals eine riesige Kartoffelfabrik. Diese wurden hier weiterverarbeitet. Je nach Wetterlage und Luftdruck verbreitete sich in der Stadt ein penetranter unwohlriechender Geruch. In Worte nicht wirklich zu beschreiben. In meiner Heimatstadt gab es auch einen besonderen Geruch und auch je nach Wetterlage und Windrichtung. In dieser Stadt wurde Schokolade produziert. Dieser Geruch war doch deutlich angenehmer. Oder das Spanplattenwerk. Auch dieses sonderte seinen eigentĂŒmlichen Geruch ab. Nicht unangenehm nach Holz. Wie sich viele Jahre spĂ€ter herausstellen sollte, enthielten diese olfaktorischen Absonderungen auch krebserregende Substanzen.

Im Haus meiner Großmutter gab es noch eine besondere olfaktorische Oase. Im oberen Stock war eine Mansarde gelegen. Dort hatte ein Cousin von mir eine große Modelleisenbahnanlage aufgestellt. Und in dieser Mansarde war die Umgebungsluft auch mit einer Mischung aus Holz, Plastik und anderen nicht zu definierenden GerĂŒchen durchdrungen. Und dieser Geruch hatte etwas Feines und Heimeliges. Nun ja, da verbrachten wir viele Stunden mit Eisenbahn spielen.

Oder die Werkstatt meines Vaters im Keller. Als Kfz-Meister reparierte er alles, was mit Motoren zu tun hatte. Vom RasenmĂ€her des Nachbarn, dem Vergaser meines Mofas bis zur Lichtmaschine des eigenen Autos. Und auch in dieser Werkstatt der Geruch von Lösungsmitteln, Ölen und frischen Ersatzteilen. Und durchdrungen vom Zigarettenqualm des Kfz-Meisters selbst.

ZurĂŒck zu meiner Großmutter. Die hatte eine uralte KaffeemĂŒhle aus Holz. Manchmal hatte ich die Ehre, den Nachmittagskaffee mahlen zu dĂŒrfen. Dieses feine und doch intensive Aroma bleibt mir auch fĂŒr immer in Erinnerung. Alleine das hĂ€ndische Mahlen war ein Ritual fĂŒr sich. So könnte ich noch viele GerĂŒche der Kindheit aufzĂ€hlen. Der Duft frisch gemĂ€hten Grases, der Kofferradio meiner Mutter, den ich als ganz kleiner Bub ‚repariert‘ habe, indem ich ein ganzes FlĂ€schchen ‚4711 Echt Kölnischwasser‘ dazu verwendet habe. Wahrscheinlich zum Reinigen oder so.

Was diese olfaktorischen Erlebnisse so besonders machen ist, wenn einem diese GerĂŒche an anderen Orten und ganz anderen Umgebungen wieder begegnen. Und wie urplötzlich Bilder aus der Kindheit wieder auf flackern. Und wenn es sich um angenehme GerĂŒche handelt, dann fĂŒhlt es sich manchmal wie Heimat an. Egal, wo man sich gerade befindet.

© Walter Tiefenbacher 2022-11-10

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