von Sophie Jones
Ich sitze vor meinem Computer und starre auf ein leeres weißes Blatt. Versuche einen kreativen Gedanken aus meinem müden Hirn zu quetschen, versage. Die Uhr am unteren Bildschirmrand sagt 14:37 Uhr. Vielleicht ist es nur ein Mittagstief, aber ich kenne mich und weiß, das ist einfach nicht meine Zeit. Ich liebe es Autorin zu sein, bin damit auch einigermaßen erfolgreich, aber nicht genug, um davon leben zu können. Deswegen habe ich einen Job, der mich leider zwingt, früh aufzustehen. Seid ihr schon mal früh aufgestanden? Die Sonne, wenn sie denn schon scheint, steht am völlig falschen Platz. Ätzend. Ich halte mich für ehrgeizig, ja fast schon perfektionistisch und fleißig, allerdings nur bei den Dingen die mir Spaß machen. Bei allen anderen versuche ich meine Kräfte zu sparen und mit minimalem Aufwand gerade ausreichende Ergebnisse zu erzielen. Meine Leistungskurve steigt in den Abendstunden an und hat ihr Hoch in der Regel zwischen 22 und 2 Uhr. Dummerweise müssen Menschen schlafen und ich bin ein Exemplar, was wirklich sehr viel Schlaf benötigt.
Dieser Umstand führt zu regelmäßigen Kollisionen mit meiner Arbeitszeit. Der Wecker klingelt mal um 6 oder um 7 aber meistens schaffe ich es nicht vor 8 aus dem Bett, auch wenn meine Kollegen schon längst im Büro sind. Ich kreuze dann meist gegen 10 mäßig motiviert auf Arbeit auf und trinke meinen dritten Kaffee. Ohne bin ich nicht lebensfähig. Dann heißt es durchhalten und wach bleiben bis 18 Uhr der Dienst vorbei ist. In dieser Zeit, wenn möglich, keine unschuldigen Leute anschreien, kein Onlineshopping zur Vermeidung depressiver Verstimmung und halbwegs die angefallenen Aufgaben erledigen. Danach erst mal ein kleines Nickerchen, etwas futtern und ab 21 Uhr beginnt theoretisch die kreative Phase meines Seins. In letzter Zeit muss ich auf diese leider immer mehr verzichten, da andere angeblich notwendige Dinge wie Haushalt, Einkauf oder Pflege sozialer Kontakte um Aufmerksamkeit betteln. Ich versuche also meine Kreativität auf die freien Tage zu verschieben, was offensichtlich nicht funktioniert, sonst würde ich nicht 14:37 Uhr so einen stumpfen, inhaltlosen Text wie diesen schreiben. Die vergangenen Wochen verzweifelten und ziellosen Zeitmanagements führten mich zu folgender Frage: Wo ist der Sinn hinter all dem? Ich arbeite um zu leben, Geld zu verdienen, wovon ich das, was nach Abzügen lebenserhaltender Maßnahmen übrig ist, in der Freizeit ausgeben kann. Nur besteht meine Freizeit darin, mich von der Arbeit zu erholen, um wieder arbeiten zu können. Als Lösungsansatz für das Problem, welches auch andere Bewohner des Planeten Erde heimsucht, haben manche meiner Freunde das Prinzip „Kasse“ gewählt. Lohnfortzahlung unter Vortäuschung sich wechselnder Krankheiten. Da ich diese Methode gegenüber meinen Kollegen nicht für moralisch vertretbar halte, versuche ich nun Folgendes: Erben. Ich brauche bloß noch eine passende Oma zu finden. Wünscht mir Glück.
© Sophie Jones 2022-08-31