Oma

Emge

von Emge

Story

Ich träume regelmäßig von dir. Dann fühlt es sich immer so an, als würde ich dich besuchen, oder du mich. In meinem letzten Traum habe ich dich angerufen und eine Mailboxansage mit deiner Stimme ist ran gegangen. Ich habe deine Nummer immer noch eingespeichert in meinem Handy. Aber wenn ich dich anrufen will, geht nur eine emotionslose, männliche Stimme ran, die mir sagt, dass die Nummer nicht vergeben wäre. Aber es ist doch deine Nummer. Omas Nummer. Die Telefonnummer, die Mama und Papa in- und auswendig können. Die Nummer, die ich so oft wählte, um dir aus meinem Leben zu erzählen. Du hast dich immer so gefreut und mir zugehört und mich in allen Lebenslagen unterstützt. Du hast mir immer das Gefühl gegeben, stolz auf mich zu sein, egal was ich machte. Vom ersten Schritt und ersten Wort bis hin zum ersten Job, zum ersten Freund. Ich kann mich noch sehr gut an unser letztes Telefonat erinnern. An deine letzten Worte. „Tschüss mein Kind“. Du weintest. Du wusstest, dass es dein letztes Tschüss war, ich wollte es nicht wahrhaben.

Nach drei Jahren will ich immer noch nicht wahrhaben, dass du nicht mehr bei uns bist. Jedes Jahr an meinem Geburtstag macht es mich unendlich traurig, dass du mich nicht anrufen wirst, um mir zu gratulieren. Jedes Mal, wenn mein Neffe meine Mama „Oma“ nennt, wünschte ich, du wärst bei uns und würdest die nächste Generation aufwachsen sehen. Ich wünschte, du hättest sehen können, dass dein erster Urenkel Opas Augen hat. Ich wünschte ich hätte dir erzählen können, dass ich meine zweite Katze an deinem Geburtstag adoptiert habe und nach deiner Katze Cherie benannt habe.

Wir alle reden viel über dich. Wir denken an dich. Bei jedem Familientreffen erinnert etwas oder jemand an dich. Mama und Papa sagen oft, dass ich bin wie du und keine Aussage könnte mich stolzer machen. Wir erzählen deine Anekdoten weiter und sagen deine Sprüche und wir lachen. Langsam können wir lachen, ohne zu weinen. Aber Mama kommen immer noch die Tränen. Wir werden dich immer vermissen.

Aber irgendwie sind wir uns alle sicher, dass du irgendwie bei uns bist. Dass du uns siehst und all die Dinge, die wir dir so gerne erzählen würden, schon lange weißt. Ich habe Mama und Papa erzählt, dass ich regelmäßig von dir träume. Wir reden über dich und wir heilen gemeinsam. Es ist, als hättest du uns in deinem Leben so viel Liebe gegeben, dass es für uns alle reicht, um weiterzumachen.

Wenn ich nur könnte, wie gerne würde ich dich jetzt anrufen. Ich habe dir so viel zu erzählen.

„Diese Nummer ist nicht vergeben.“

Aber der Platz bei uns, in unseren Herzen, der ist vergeben. Der ist für immer deiner.

© Emge 2023-09-28

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Hoffnungsvoll, Traurig