von Richard Krampl
Die Oma Helga ist eine ganz besondere. Dr. Helga Wasicky. Meine Exschwiegermutter. Man muß sich das einmal vorstellen: Offiziell geht sie wahrscheinlich schon als betagt durch. Die Wirklichkeit schaut so aus: Am Sonntag in der Früh fährt sie mit dem 31-er nach Floridsdorf, dann schwimmt sie einmal im Hallenbad 30 Längen; das ist ihr „Lebenselexier“. Dann geht sie zwei Stunden turnen. Dann fährt sie wieder nach Hause, nach Stammersdorf, und kocht für zwölf Leute. So gesund ist man nur, wenn man im Monat nur ein Packl Zigaretten raucht.
Sie, die Tochter des Feldbacher Lehrers, Schulrates, Schuldirektors und Heimatdichters Franz Hausmann ist eine Bildungsbürgerin der Sonderklasse. Seit 20 Jahren fährt sie jährlich nach Lemberg und geht dort irgendwelchen historischen Forschungen nach. Nachmittags kann man sie oft in der Dirndlgasse 20 antreffen; da sitzt sie im ersten Stock und lernt ukrainisch. Eines ihrer weiteren Hobbies ist stricken. Bis so ein Pullover fertig ist, das dauert bei ihr ein oder zwei Tage. Heute, also am 7. September 2020 dürfen wir wieder im Haus meiner Ex-Schwiegereltern singen.Von 16 bis 18 Uhr. Es ist meist noch nicht 17 Uhr, da kommt sie schon daher mit einem Apfelstrudel und Kaffee. Es kann natürlich auch ein Toast sein. Sie freut sich sehr über die Belebung des Hauses durch unseren Gesang. Es ist nämlich immer gut: Wenn du aus einem Probenraum aussifliegst, dass du dann noch einen hast. Die Leute sind nämlich nicht alle „gut“. Selbst der berühmte Chorpädogoge Prof. Kurt Muthspiel musste 1960 erkennen, das sein Wirken in seiner Wahlheimat Judenburg nicht willkommen war. Er machte darüber freilich kein Aufhebens und gründete den „A cappella Chor Zeltweg“, den er bis 1990 leitete.
Heute bringe ich der Oma Helga Schafmist. Sie hat nämlich einen großen Gemüsegarten und schätzt daher Schafmist sehr: „Wo Mistus, da Christus!“. Meine Nachbarin in Zeltweg schätzt meinen Schafmist nämlich weniger, behauptet, er stinke, was freilich nicht den Tatsachen entspricht. Ich sammle den Schafmist nämlich händisch ein und bringe das Plastiksackl dann mit der S-Bahn, dem Railjet, der U6 und dem 31-er nach Stammersdorf. Auch jetzt im Internet-Café steht der Schafmist neben mir und noch nie, bei den vielen Fuhren Schafmist, die ich bis jetzt nach Stammersdorf brachte, hat sich irgendwo irgendwer über einen etwaigen Gestank aufgeregt. Echte Schafexperten, wie ich einer bin, wissen, dass Schafmist nicht stinkt.
Eine weitere Tätigkeit meiner Ex-Schwiegermutter ist es, gemeinsam mit einigen anderen Leuten ehrenamtlich die alten wissenschaftlichen Bücher im Naturhistorischen Museum zu pflegen. Zudem leitete sie auch jahrelang eine Seniorentanzgruppe. Ihr erstes Kind, mein Ruthilein, bekam sie noch in Feldbach. Dort gibt es in der Schubertgasse 8 einen Baum, der ist genau so alt wie meine geliebte Exgattin. Als die Ruth zwei war, übersiedelten sie nach Wien, wo der Richard und der Ruben auf die Welt kamen.
© Richard Krampl 2020-09-07