von Senta Kral
Die moderne Oma möchte natürlich auch in Sachen Mode up to Date sein und beginnt bei den Schuhen. Ein kleiner Überblick in einem Werbeprospekt kann nicht schaden. Nach kurzem Blättern fallen wunderbare Stiefeletten mit Fransen und etwa 65 Nieten pro Stück sofort ins Auge. Sie blättert weiter, denn so punkig möchte sie nicht unbedingt aussehen. Auf Seite drei findet sich eine ganze Kollektion von „High Heels“, die das Bein besonders schlank erscheinen lassen. Wäre hübsch! Das Problem ist nur, dass sie ähnliche Modelle – damals hießen sie noch „Bleistiftabsätze“ – zuletzt vor 40 Jahren anhatte. Auch damals taten diese Biester bei längerem Tragen verdammt weh. Vor 60 Jahren war das etwas anderes. Denn was tat man (dieses Wort verwendete man damals wirklich auch für Frauen!) was tat man nicht alles, um beim ersten Rendezvous (und nicht date) schön zu sein.
Die moderne Oma beginnt also zu überlegen: Zu welchen Anlässen könnte sie so hübsch gestylt erscheinen? Vielleicht beim nächsten Theaterbesuch? Allerdings müsste sie Opa zuerst von der Notwendigkeit einer Taxifahrt hin und zurück überzeugen. Sie stellt sich sein Gesicht bei diesem Ansinnen kurz vor …… und verwirft diese Idee sofort. Auch ein Stadtbummel mit ihrer Freundin wird nur kurz angedacht: der Weg von der U-Bahn zum nächsten Café müsste ja zu schaffen sein! Das Dumme ist nur, dass sie sich immer im ersten Stock des Cafés mit Aussicht auf den Stephansplatz treffen. Aber mit über 70jährigen Knien in solchen Dingern treppab zu gehen, ist bei genauerer Überlegung Selbstmord.
Ein Gedanke lässt sie laut auflachen. Der nächste Geburtstag ihrer jüngsten Enkelin: Sie wäre sicherlich bei diesem Spaß mit Begeisterung dabei! Solche High Heels für den Schulball wären als Geburtstagsgeschenk sehr willkommen und Oma mit der gleichen Schuhgröße könnte vor der Wohnungstüre kurz hineinschlüpfen. Ein betretenes Schweigen bei diesem Auftritt wäre ihr sicher! Alle würden sich fragen, was denn in Oma gefahren sei! Und die wenigen Schritte durchs Vorzimmer würde sie schaffen! Sie blättert weiter. Mit zunehmender Seitenzahl werden die Absätze flacher und die Schuhmodelle breiter. Hier sind sie alle versammelt, die „Kommodschuhe“ wie ihre alte Tante damals zu sagen pflegte. Bequem, mit weicher Sohle, Klettverschluss und besonders vor Seniorenheimen häufig zu sehen. Damit möchte sie, wenn möglich noch zehn Jahre warten.
Was macht also die moderne Oma? Sie kleidet sich sportlich schick, denn Jeans und Blazer trägt man ja heute zu fast allen Anlässen. Dazu passen wunderbar bequeme und zugleich moderne Sportschuhe, an denen nicht einmal die Enkel etwas auszusetzen haben.
… Und ins Theater? Was trägt die moderne Oma ins Theater? Zum Hosenanzug?Vielleicht könnte sie die goldenen Sketchers ihrer Enkelin ausborgen?
Wäre da nur etwas mehr Mut !
© Senta Kral 2024-03-20