Oma upgedated

Senta Kral

von Senta Kral

Story

„Meine Oma, meine Oma is´ modern! Hab´s gern!“ lautete in den Siebzigerjahren der Refrain von unzähligen „G´stanzln“, die von Enkelkindern mit großem Vergnügen bei mehr oder weniger passenden Gelegenheiten gesungen wurden. Als etwas älteres Modell einer heutigen Oma versucht sie natürlich auch modern zu sein. Die Jung-Omas zwischen 50 und 60 sind das ja fast automatisch – oder sehen zumindest so aus. Das mit dem Aussehen ist das kleinere Problem:

  • Weniger essen – besonders von den guten Dingen;
  • Mehr Bewegung – wenn Knie und Kreuz einmal nicht wehtun;
  • Früh schlafen gehen – wenn man nicht gerade abends endlich Zeit für diverse Hobbys hätte;
  • Stets das dauerhaft vorhandene positive Denken mit einem Lächeln zur Schau tragen und vieles mehr.

Da freut einen natürlich jedes Kompliment: „Gut siehst du aus!“, vielleicht sogar mit anschließendem verlogenen Nachsatz: „Unverändert seit 20 Jahren!“ Dabei weiß heute jeder, dass die Jahre ab 70 ganz fatal zur Veränderung beitragen.

Der wesentlich schwierigere Teil einer modernen Oma liegt in der rasanten Entwicklung der Kommunikationstechnik. Kaum hatte die moderne Oma auf einem Handy das Schreiben von SMS erlernt und sich mit einem PC so weit angefreundet, dass sie Mails empfangen und verschicken konnte, gab es eine neue Generation von Smartphones, die beides und noch viel mehr konnten. Also bemüht sich die moderne Oma, alles Mögliche up- und downzuloaden, mit WhatsApp Fotos zu empfangen, zu bearbeiten, zu verschicken und mit oder ohne Video zu telefonieren. Sogar Fotobücher zu gestalten bereitet ihr inzwischen Freude.

Nur eines verweigert in diesem ganz persönlichen Fall die moderne Oma: Sie will weder 120 unbekannte Freunde in irgendwelchen sozialen Netzwerken haben, noch am Privatleben anderer auf Internetplattformen teilnehmen, oder sogar das eigene mit ihnen teilen. „Mein Privatleben gehört, wie das Wort schon andeutet, nur mir! Meins, meins und nur meins!“ Doch die Verteidigung dieser Privatsphäre ist gar nicht so einfach: Pausenlos fragt so ein Smartphone, ob diverse nützliche Apps aktualisiert werden sollen. Ist ja sehr nett von ihm. Nach genauer Erforschung, ob das auch gratis geschieht, drückt die moderne Oma dann auf „ja“… und plötzlich hat die harmlose App in Form von neuen Möglichkeiten unzählige Ableger bekommen. In solchen Momenten überlegt die moderne Oma dann, ob sie wirklich so modern sein möchte und sucht telefonisch Hilfe bei ihrem Enkel. Der tröstet sie meistens mit dem Versprechen, beim nächsten Besuch alles in Ordnung zu bringen.

Vielleicht ist die moderne Oma gar nicht so modern wie sie tut? Sie erlaubt sich doch glatt, das Smartphone auf lautlos zu schalten. Mit ihrer Smartwatch, die das auch alles kann, ist sie ja ohnehin gut überwacht. Inklusive Blutdruckmessung und Schrittzählung.

© Senta Kral 2024-03-20

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Emotional