von neli
Das Kind erst mal geschnappt und in der Badewanne deponiert. Ein Blick genügt zur Diagnosefindung: übergelaufene Durchfallwindel. Nun noch geschwind das Reisegitterbett (ein Hurra der Mobilität, was diese segensreiche Erfindung betrifft) in den Gang gezerrt, unbrauchbar gewordenes Bettzeug samt Pyjama und Windel wird übers Fenster in den Garten entsorgt und das lauthals schreiende Kind in der Wanne abgeduscht. Donnerwetter, ein kräftiger Dreijähriger in der Erprobung seines Stimmpotentials hat das Zeug, auch die Bewohner der nächsten drei angrenzendes Reihenhäuser in Alarm zu versetzen! Als sich das Schwemmwasser allmählich klärt, lässt die Oma dem Kleinen eine schöne warme Wanne ein und aus dem Geschrei wird leises Schluchzen, was ihr die Gelegenheit gibt, die Lauscher auszufahren und nach Kollateralschäden in Form weiterer erwachter Enkelschar zu horchen. Tatsächlich-es ertönt gequältes Quäken aus dem großelterlichen Schlafzimmer. Dort hat es der Dreier über die Bettkante geschafft und klemmt nun hoffnungslos zwischen Bettstatt und Couchpolster fest. Während der Bergung des Spaltenopfers fällt der Oma siedend heiß ein, dass es genau der momentan unbeaufsichtigt in der Wanne sitzende Enkel ist, der vor zwei Jahren direkt neben ihr in den See gefallen ist und sofort hat sie wieder den Blick aus schreckensweit aufgerissen Augen eines unter Wasser treibenden Kindes vor sich.
„Jetzt fehlt gerade noch, dass es den Einser im Halbdusel über die Stiege würfelt, während das Baby am Muttermilcherbrochenem erstickt“, denkt sie, und eilt zurück ins Badezimmer. Das Kind sitzt gottlob vergnügt planschend da und kann mit der Aussicht, im Oma-Bett weiter schlafen zu dürfen, zum Aussteigen überredet werden. So, jetzt aber noch schnell das Baby in die stabile Seitenlage gebracht (man weiß ja nie) und einen kurzen Abstecher ins Dachgeschoß zum Einser. Der liegt da wie ins Bett betoniert und schnarcht vor sich hin.
Erleichtert schlüpft die Oma ins enkeltechnisch aufgerüstete Großelternbett, klemmt sich den Schlafsackzipfel vom Wanderer unter den Hintern, wendet sich dem Durchfälligen zu und legt dem grummelnden Bäuchlein die (hoffentlich) beruhigende Hand auf.
Die Lage im Haus entspannt sich, draußen naht mit Getöse die mitternächtliche Geisterstunde. Keine Geisterstunde ohne Geist – selbiger erscheint in Form des zurückkehrenden Opas. Kurz steckt er den Kopf zur Tür herein und wispert: „Alles in Ordnung bei euch?“ „Aber sicher doch“ murmelt die Oma zurück, woraufhin der Opa noch gönnerhaft meint: „Na siehst du, du immer mit deinen unbegründeten Sorgen.“ Das undefinierbare Knurren aus dem Oma-Bett bekommt er nicht mehr mit, ebenso wenig, wie dass in seinem angestammten Hoheitsgebiet inzwischen ein gepflegter Dreier abgeht. Aber Opas müssen ja nicht immer alles wissen, denkt sich die Oma und schläft nun endgültig, flankiert von ihren zwei Trabanten, dem Jahr mit der attraktiven Jahreszahl entgegen.
© neli 2022-01-02