Wenn wir nicht die Omi hätten

mara

von mara

Story

Anfang 1900 wurde meine Omi auf einem Bauernhof in der Obersteiermark geboren. Die kleine Peperl, wie sie genannt wurde, war ein ein viffes, lustiges Kind.

Als eines Nachmittags die Männer alle aus dem Haus waren, kochten sich die Frauen einen echten Kaffee, also einen Bohnenkaffee, der damals eine Kostbarkeit war. Auch die zweieinhalbjährige Peperl durfte kosten mit Zucker. Mmmh, der schmeckte ihr. Die Frauen ermahnten sie, den Männern, wenn sie heimkämen, ja nichts zu verraten. Was tat die Kleine, als die Mannsbilder auftauchten? Sie lief ihnen entgegen, leckte sich die Lippen und rief:“Wir haum eh kan Kaffee nit ghobt.“

Ja, Kinder und Narren…..

Vom Hof zur Schule war ein ziemlich weiter Weg. Im Winter kürzten sich die Kinder und Nachbarskinder den Weg ab, indem sie über die beschneiten Hänge rutschten. Kein Schlitten, die Buben auf dem Hosenboden und die Mädchen mit ihren langen Kitteln. Das war ein Spaß, ein Schreien und Jauchzen. Als meine Omi einmal besonders waghalsig auf einem Steilstück unterwegs war, rutschten ihr die Röcke hoch – sie hatte keine Unterhose – und schürfte sich den Popo sehr schmerzhaft auf.

Damals wurde noch Lein angebaut und am Hof selbst verarbeitet und gesponnen. Für den Oberteil bei den langen Unterhemden nahm man fein gesponnes Gewebe, der Unterteil aus gröberem Gespinst. Die neuen Unterhemden juckten und bissen höchst unangenehm auf der Haut.

Von 1914 bis 1918 war sie den Sommer über immer auf der zum Hof gehörenden Alm. Ihr Vater richtete ihr einen kleinen Raum mit einer Tür, die man von innen so verschließen konnte, dass sie vor eventuellen Belästigungen sicher war.

Mit Begeisterung bereitete sie Steirerkäse zu, den Ennstaler Bröselkäse. Sie putzte den Kupferkessel gründlich mit Zinnkraut, das war wichtig, sonst hätte aus dem Käse möglicherweise ein „Speikäse“ werden können.

Nach Kriegsende machte ihr ein junger fescher Mann den Hof, den sie schon von Klein auf kannte. Sie wollten heiraten, doch es gab ein Ehehindernis. Die beiden waren nämlich miteinander verwandt, nämlich Halbcousin und Halbcousine. Sie benötigten eine päpstliche Dispens. Das zuständige Pfarramt unterzog die beiden einer genauen Prüfung und schrieb dann das Ansuchen an den Vatikan.

Eines Tages hieß es, die Dispens ist da. Der Hochzeitstermin wurde festgelegt, das ganze Dorf eingeladen , ein Schwein geschlachtet, geselcht gebraten, gebrutzelt. Und dann was die Dispens doch noch nicht da. Da schon alles vorbereitet war, wurden die Festlichkeiten nicht abgesagt, es ging hoch her und das ganze Dorf hat gefeiert, gegessen und getrunken.

Erst ein paar Wochen später war die Heiratserlaubnis aus dem Vatikan da. Dann wurde nur mehr im kleinen Kreis gefeiert.

© mara 2019-11-09