von Pathia_Panell
Das Kästchen mit dem roten Schriftzug scheint mich geradezu anklagend anzuschauen. Eigentlich wollte ich nur schnell meine neuste Idee festhalten und als Kurzgeschichte hochladen. Aber nachdem ich sie veröffentlicht habe, fühle ich mich irgendwie … nicht anders.
Ich habe schon mein Leben lang geschrieben. In der Grundschule, wenn wir Bildergeschichten schreiben sollten, bekamen alle anderen eine Mindestanzahl an Sätzen; mir aber wurde eine Obergrenze gegeben. In der Mittelstufe hatte ich schon meinen ersten Roman mit über 500 Seiten geschrieben und ihn meiner Deutschlehrerin gezeigt. Ein paar unschöne Kommentare ihrerseits, erzwungenes Vorlesen in der Klasse und darauffolgendes Mobbing, haben mich dazu gebracht, das Schreiben für mich zu behalten. Meinen Eltern sagte ich, dass ich keine Lust mehr hatte; den Wenigen, die zuvor davon gewusst hatten, sagte ich das Gleiche. Meine Eltern gaben es schließlich irgendwann auf, mich zum Schreiben zu animieren, ein Freund gab sich irgendwann damit zufrieden, dass ich zumindest seine Werke las und kommentierte. Ich bin mir sicher, wenn ich ihn heute fragen würde, dann würde er sich nicht mal mehr daran erinnern, dass er mich zum Schreiben bewegen wollte.
Erst in der Oberstufe schaffte ich es, mich zumindest einem Lehrer anzuvertrauen: Im Rahmen einer Buchenwald-Exkursion, sollten wir alle einen Text verfassen, der später in der Schule vorgetragen werden sollte. Als wir an der Goethe-Eiche vorbeiliefen, spürte ich, dass ich mein Thema gefunden hatte. Einige lachten; auch mein Lehrer zeigte sich unsicher gegenüber meiner Idee. Aber, als ich ihm keine Stunde später ein Gedicht vorlegte, war er begeistert. Er ermutigte mich dazu, mehr zu schreiben. Ich habe es ihm nie gesagt, aber er ist der Grund, dass ich das Schreiben nicht aufgegeben habe, sondern weitergemacht habe: An diesem Tag habe ich meine Freunde am Schreiben wieder gefunden.
Als ich nun vor ein paar Wochen diese Seite entdeckte, war ich hin- und hergerissen. Ich habe immer nur für mich geschrieben. Bisher schlummern mehrere fertige und viele angefangene Romane auf meiner Festplatte, und ich hatte immer Angst, sie jemandem zu zeigen. Ich drücke mich durch das Schreiben aus, es ist sehr persönlich. Außerdem habe ich Angst davor, was Fremde – noch mehr, was Bekannte – zu meinen Werken sagen. Wenn sie sie nicht mögen, dann ist es für mich, als würden sie mich nicht mögen. Ich bin meine Werke. Ich bin durch sie gewachsen.
Um mich zu schützen, zumindest, um die Möglichkeit zu nehmen, dass man von meinen Werken Rückschlüsse auf mich ziehen kann, habe ich mich dazu entschlossen, einen anderen Namen zu verwenden, unter dem ich schon Geschichten in der Grundschule geschrieben habe.
Und dennoch… dieses Kästchen ist so vorwurfsvoll: Ich muss mehr schreiben. Ich soll es tun. Sonst kann niemand meine Werke mögen; sie nicht einmal lesen; nicht sehen. Mich nicht sehen.
© Pathia_Panell 2022-03-27