Opa

Michelle Berger

von Michelle Berger

Story

Bald ist es ein Jahr her, dass du von dieser Welt gegangen bist, Opa.

Mein Opa, von dem ich immer erwartet habe das er noch so viel mit mir erleben wird. Ich habe immer erwartet, dass du meine Kinder einmal kennenlernen wirst, falls ich je welche haben sollte, dass du bei so vielem dabei sein würdest. Und das, obwohl du so lange krank warst. Obwohl ich selbst Krankenschwester bin, habe ich es so lange nicht gesehen. Nicht sehen wollen.

Ob wohl die Wahrheit so offensichtlich vor meinen Augen war. Immer die letzte Hoffnung nutzen. Selbst, wenn sie noch so lächerlich war. Aber es hat mir geholfen. Es hat uns allen geholfen nicht zusammenzubrechen. Stark zu bleiben. Bei dir zu bleiben.

Ich weiß auch, dass ich nie die beste Enkelin war. Dass ich zu selten zugehört habe, zu selten da war. Und auch jetzt schaffe ich es nicht dein Grab zu besuchen. Schaffe es nicht deinen Namen auf einem Grabstein zu lesen. Es ist zu viel.

Zu viel, zu viel.

Jeder Gedanke an dich wird sofort verdrängt, denn ich kann es nicht. Ich kann mich nicht damit befassen und ich hoffe, du verzeihst mir das. Und da sind so viele Erinnerungen. So unfassbar viele Erinnerungen. Manchmal, wenn ich Nachts wach liege kommen sie auf. Und ich versuche sie so schnell wie möglich wieder in die hintersten Ecken meines Kopfes zu schieben.

Du hattest immer so viel Angst um mich. Hast mich lieber überall hingefahren und abgeholt als das ich alleine draußen unterwegs war.

Ich kann es nicht. Kann nicht akzeptieren, dass du nicht mehr da bist. Dass es keine neuen Erinnerungen mehr geben wird. Nur noch die Vergangenheit. Wenn ich die Augen schließe, ist es als kann ich noch immer deine Stimme hören, deinen Duft riechen. Als wärst du immer noch da. Als wärst du nie krank gewesen, als wäre das alles nur ein böser Traum gewesen.

Ein böser, finsterer Albtraum. Irgendwann schaffe ich es damit umzugehen. Mit einem Lächeln an dich zu denken ohne zu weinen.

Irgendwann.

© Michelle Berger 2021-07-06

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