von Erich Stöger
Die Riesenkrake hat sich in die tiefste, dunkelste Stelle des Meeres verirrt. Ein kleines Licht sehend, bewegte sie sich darauf zu. Das war ein Fehler! Denn der „Tiefseeanglerfisch“ ging sofort zum Angriff über. In der Dunkelheit entbrannte ein unerbittlicher Kampf. Die Riesenkrake ergriff die Flucht, indem sie versucht aus der Tiefe nach oben zu schwimmen. Eine Riesenkrake kann ich mir schon vorstellen, aber bitte was ist ein „Tiefseeanglerfisch“? Lautete meine erste Frage an meinen Enkel. Das weißt du nicht, das ist ein Riesenfisch, der über dem Kopf, an einer Antenne eine kleine Laterne hat. Mit der lockt er seine Beute näher und dann verschlingt er sie. Das sind auch Piratenmonster, weil die haben sie gesehen und sich vor ihnen gefürchtet. Sehr interessant, sage ich und frage, warum jetzt die Tiefseemonster, wo sind all deine anderen? Aber die haben doch nichts mit der Tiefsee zu tun, verstehst du das nicht? Ja, doch, doch ich verstehe, sage ich, verstehe aber nichts und denke es ist besser zu schweigen, um die Situation zu entschärfen. Dieser Informationsaustausch findet am Wohnzimmertisch statt, wo wir jeder bereits das fünfte Tiefseemonster und andere Meeresungeheuer gezeichnet haben. Selbstredend waren natürlich seine immer die schrecklichsten. Aber zurück zum Anfang.
Lux Cornelius ist wieder für ein paar Tage bei mir. Mit Papa vom Kindergarten abgeholt und nach einem Spaziergang zum Bahnhof, verlassen er und ich Wien Richtung Krems. Schon während der Fahrt sind wir bereits im Spielmodus. Wer kriegt seine Hand auf die Hand des Anderen? Als ihm die Geduld reißt, setzt er sich einfach auf meinen Handrücken und sagt so nebenbei, ich habe gewonnen! Na was soll´s, man muss ja auch verlieren können. Die Fahrt verflog sprichwörtlich. Nach kurzem Strawanzen durch die Fußgängerzone machen wir es uns in der Wohnung bequem. Nach der Inspektion seiner Spielzeuglade in meiner Leseecke, er war ja schließlich fast fünf Wochen nicht mehr bei mir, greift er zu den Malstiften und beginnt zu zeichnen. Ich bin mit dem Decken des Esstisches für unser Abendessen noch nicht fertig, vernehme ich bereits seine auffordernde Stimme. Opa, wo bleibst du, komm endlich und bring noch Zeichenpapier mit. Ja, und so landeten wir bei den Tiefseemonstern. Aus welchen Gründen auch immer, er gibt mir nach einiger Zeit des Zeichnens plötzlich zu versehen, dass er morgen nicht in die Stadt und auch nicht in den Garten will. Ich bin total überrascht und frage nur so nebenbei, warum? Ich möchte in der Wohnung bleiben und nur spielen. Mit dir. Und du musst mir vorlesen. Und wir müssen malen und zeichnen. Beim Zubereiten der Putenfilets übernimmt er das Würzen mit Salz und etwas Pfeffer. Die Semmelknödel und eine pikante Sauce habe ich bereits gestern zubereitet. Es schmeckt ihm alles gut, nur den Salat verweigert er.
Zähneputzen, Pyjama anziehen und Vorlesen ist angesagt. Alles Geschichten, die er schon unzählige Male von mir gehört hat. Weiche ich etwas vom Text ab, werde ich sofort ermahnt. Opa, die Lokomotive heißt Penelope und der Mann da ist der Herr Sowieso. Also bitte mehr Konzentration, denke ich mir. Beim Einschlafen brauche ich keine zehn Sätze meiner Gutenachtgeschichte und er ist im Land der Träume angekommen.
© Erich Stöger 2024-03-02