Opa Hubert – inmitten seiner Bergkameraden

Seelenbaumler

von Seelenbaumler

Story

Hubert Opa wurde der Vater meiner Frau Irida von uns liebevoll genannt. Stets war er gut gelaunt, hilfsbereit, bescheiden, freundlich. Ein begnadeter Handwerker, ein Meister als KFZ-Mechaniker. Von uns geliebt, von vielen Menschen geschätzt. Seiner Frau hielt er die Treue. Obwohl die Ehe wahrlich kein Zuckerschlecken für ihn war. Mit den oft wochenlang dauernden Launen seiner Frau lernte er umzugehen. Hubert Opa liebte seinen Beruf, den Umgang mit Menschen, seine sehr aktive Mitgliedschaft bei der Bergrettung und ganz besonders seine Tochter Irida mit ihrer Familie.

Wenn ich einmal sterben muss, soll dies in den Bergen im Beisein meiner Kameraden der Bergrettung sein lautete ein Ausspruch von ihm. Mehrmals im Jahr hörten wir diese Worte und schmunzelten dabei. Unsere Gedanken dazu gingen in eine andere Richtung. Auch wir waren oft von den Launen seiner Frau – Hilde Oma – betroffen und litten darunter. Daher hofften wir, dass Hubert Opa seine Frau überleben würde und nicht umgekehrt. Sonderbare Hoffnung. Im Laufe der Jahre suchte Hubert Opa immer mehr die Nähe zu uns. Unzählige schöne Stunden durften wir miteinander verbringen.

Im August 1984 war Hubert mit der Reparatur eines Autos beschäftigt. Dabei entfachte sich eine Stichflamme und führte zu einem Feuer. In letzter Sekunde konnte er sich aus der Montagegrube retten. Versengte Augenbrauen und Haare waren die Folge. Der Unfall wirkte nach. Hubert wurde ernster, nachdenklicher. Nach einigen Tagen übergab uns Hubert einen Wohnungsschlüssel mit den Worten: „man weiß ja nie …“.

Am 23. September 1984 kam Hubert zu uns auf Besuch. An diesem Vormittag wollte Hubert Opa einfach nicht nach Hause gehen, sich nicht verabschieden. Endlich raffte er sich auf. Stand doch am Nachmittag die diesjährige gemeinsame Wanderung der Bergrettung Hohenems auf dem Programm. Auch wir nutzten den herrlichen Herbsttag zu einer Bergwanderung. Ramona und Christian zeigten sich heute sehr launisch und streitsüchtig. Irida und ich spürten eine ungewohnte Unruhe.

Um vier Uhr hörten wir die Haustürklingel. Irida öffnete. Ihre Mutter Hilde und drei Kameraden der Bergrettung standen tief betroffen vor der Türe. Hubert Opa ist tot. So lautete die traurige Nachricht. Im Laufe der Wanderung wurden in diesem Jahr besonders aggressive Erdwespen aufgescheucht. Eine Frau aus der Gruppe wurde von einem Schwarm überfallen.

Hubert Opa eilte ihr sofort zu Hilfe, wehrte die wildgewordenen Tiere ab. Über 20 Mal stachen sie die Frau. Hubert Opa erhielt vier Stiche, einen davon direkt in die Blutbahn. Atemnot trat ein. Die intensiven Rettungsversuche seiner Kameraden konnten ihn nicht mehr retten. Die Frau kam mit dem Schrecken davon.

Hubert Opas Wunsch inmitten seiner Kameraden der Bergrettung sterben zu dürfen hatte sich erfüllt. Mit erst 57 Jahren. Unsere Befürchtungen in Bezug auf Iridas Mutter sollten sich ebenfalls erfüllen. Für die allzu kurze Zeit mit Opa Hubert sind wir unendlich dankbar.

© Seelenbaumler 2020-09-03

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