von adi
Er ist Jahrgang 1880, hat eine lange Wehrdienstzeit in der Monarchie hinter sich und hat den ersten Weltkrieg in den Karpaten überlebt.
Eines Tages sehe ich vom Hof des Hauses Nr.48 wie Herr Regierungsrat Schleicher, so eine Art Bürgermeister, mit zwei Russen den Steig beim Birnbaum vorbei zum Pfeffer-Haus geht. O jeh! Ich hatte gehört , dass die Russen Männer jeden Alters für ihren Nachschubdienst zwangsrekrutieren. Kurz darauf wird der Opa abgeführt. Er kommt nach Tauchen, muss dort Erdäpfel schälen und Kühe hüten und hat gar keine Mühe mit dem Leben im Freien zurechtzukommen. Da er auch ein freundschaftliches Verhältnis zum jüdischen Lager hatte, teilte ihm ein Bekannter mit, dass es besser wäre, wenn er bald flüchten könnte. Denn die Russen würden ihn nie mehr freilassen und beim Abzug in Richtung Ungarn mitnehmen. Großvater erfasste den Ernst der Situation und sagte es dem Dorfschmied Haas. Doch dieser meinte, der Krieg ist eh schon aus, wenn sie uns auf der Flucht erwischen erschießen sie uns.
Großvater, der als Einheimischer und Jäger jeden Strauch und Baum zwischen Tauchen und Schäffern kannte, flüchtete noch in derselben Nacht. Der Haas Schmid kam schon in der nächsten Woche bei einem Transport nach Pinkafeld ums Leben – ein Sohn von ihm ist in den letzten Kriegstagen in der Ost-Steiermark gefallen.
Meine Schwester Mitzi und ich wunderten uns sehr als unsere Großmutter zu Mittag immer wieder mit einem Topf Suppe zum Schweinestall hinunter ging. Wir legten uns auf die Lauer und hörten, wie sie mit jemandem flüsterte.
Ja, nicht zu glauben, der Opa ist im Schweinestall versteckt. Die Angst der Oma war ganz ungeheuerlich, dass die Kinder den Opa verraten könnten. Wir versicherten ihr, dass niemand auf der Welt etwas von uns hören wird. Und so musste unser lieber Opa wohl im Sautrank dunsten, bis die Russen endlich aus der Steiermark abziehen mussten.
Der Krieg im Jogland brachte uns Flüchtlinge aus dem Westen, binnen kurzer Zeit war Opas Zimmer ausgeräumt, der Boden mit Matratzen belegt und ich musste dort mit ca 15 Frauen und Mädchen aus Vorau nächtigen. Fast jeden Abend erschien eine russische Streife und kontrollierte den Raum. Ich erlebte das mit großer Bangigkeit und Hass auf Militär, Uniform und Macht. Doch es hat nie Übergriffe gegeben.
Während Kinder und eigentlich die gesamte spärliche männliche Bevölkerung keine Angst vor den Besatzungen zu haben brauchten, lebten Frauen in einem starken Gefühl der Bedrohung. Zwar herrschte tagsüber Ordnung, aber in der Dunkelheit Angst. So versteckte sich meine Mutter die Nächte unter der Brücke.
© adi 2019-05-11