Opa kauft Fahrrad

Opa

von Opa

Story
2020

„So ein Mist! Jetzt haben´s mir doch glatt das Fahrrad gestohlen“, sag ich zu Mark, unserem ältesten von vier Enkelkindern. „Und? Kaufst dir ein neues?“, fragt der Sechsjährige. Was für eine Frage. Opa marschiert ins hypermoderne und supercoole Sportgeschäft. Dort, wo sich alle jene tummeln, die irgendwie aussehen, als würden sie den ganzen Tag nix anderes tun als Sport treiben. Sie wissen schon, muskelbepackt, Sixpack und braungebrannt vom vielen Outdoor-Training.

„Guten Tag, ich hätt´ gern …“, ruf ich einem Verkäufer hinterher, der grad an mir vorbeirauscht, als wär er Führender beim Zielsprint der Tour de France. „Sie! Ich tät Sie nur gern was fragen …“, sag ich zu einem Mädel, das wie eine Verkäuferin aussieht. „Ich komm gleich zu Ihnen“, hör ich sie noch sagen, während sie um die nächste Ecke biegt. Nach einer guten halben Stunde seh ich das selbige Mädel, wie sie an der Kasse einen anderen Kunden bedient. „Hey, sagten Sie nicht, Sie kommen gleich zu mir?“ „Echt jetzt?“, sagt sie und lächelt mich mit ihren blauen Augen an. „Wissens was, eigentlich wollt ich jetzt bei Ihnen ein Fahrrad kaufen, aber das sparen wir beide uns. Ihr wollt ja scheinbar nix verkaufen“, sag ich und bin auch schon raus bei der Tür.

„Opa, Opa“, kommt mir Mark schon entgegengelaufen, „wo hast denn dein neues Fahrrad?“

„Es gibt kein neues Fahrrad, Junior. Weißt du, die Typen in dem Laden sind einfach nur cool, haben aber keinen Bock, sich Zeit für einen Alten zu nehmen, um ihm was zu verkaufen.“

„Heißt das, dass wir zwei jetzt nicht mehr gemeinsam Rad fahren werden?“

„Nein, Junior, keine Sorge, ich geh zum Zweirad Fischer. Die haben auch Fahrräder.“

„Waaaas? Papa sagt, da gehen nur die Alten hin. Die sind ja total out, Opa!“

Der Verkäufer beim Zweirad Fischer hat sich geschlagene zwei Stunden Zeit für mich genommen. Alles hat er mir erklärt, von der Batterie bis zum Motor für meine neue Errungenschaft. Drei verschiedene Räder durft ich ausprobieren, wobei er mir jedes Mal den Sattel und den Lenker neu eingestellt hat. „Damit Sie ein gscheites Feeling bekommen“, hat er gsagt, der Herr Verkäufer. Schließlich bin ich noch nie auf so einem e-Bike gesessen. 3000 Euro hab ich am Ende dafür ausgelegt. Weitere 200 hab ich nur fürs Zubehör dort gelassen, weil „einen Reserveschlauch, LED-Lampen, Trinkflasche, spezielle Pedale und eine Pumpe brauchens ja auch noch“.

Das Ende der Geschicht´: Der Verkäufer vom uncoolen Zweirad Fischer hat 3200 Euro Umsatz gemacht und mein Enkel erzählt seither allen seinen Freunden, welch hypermodernes und supercooles, orange-schwarzes e-Bike sein Opa hat.

© Opa 2020-07-01

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