Flamenco grüßt Schlossgeist

Tanja Gitta Sattler

von Tanja Gitta Sattler

Story

Mit Opa Peter verbinden mich viele positive Kindheitserinnerungen. Vor allem Spaziergänge durch Wald und Flur, rund um das Zwingenberger Elternhaus herum. „Goldig, der große, alte Mann und das kleine Mädchen“, freuten sich die Älteren, die inzwischen leider alle schon – wie Opa – im Jenseits weilen.

Oft verschlug es uns zum Alsbacher Schloss hinauf. Bergauf war ich lauffaul. Aber dort oben gab es eine urige Schänke. Das motivierte wie die Karotte den Esel selbst mich träges Luder! Ich bekam Bratwurst, Eis und Limo, so viel mein kleines Herz begehrte. Der Opa verschlang Massen an Handkäs‘, Brot und Kochkässchnitzel. Dazu trank er ein, zwei Schoppe‘ Woi‘.

Bald begann er zu singen, worauf der Wirt und sämtliche Stammgäste nur gelauert hatten. Opas Spezialität war es, mit randvollem Weinpokal auf dem mächtigen Schädel “Im tiefen Keller sitz ich hier” zu intonieren. Komplett, ohne einen Tropfen zu vergießen. Dann ex und hopp!

Lange Zeit hege ich den Traum von einem Auftritt im Alsbacher Schloss, bis er sich dank guter Verbindungen zum heimatlichen Rittervolk im Sommer 2019 erfüllen lässt. Heike, Marlene und Chris, drei meiner Chicas, Micha und Frank Ihle, ein sehr erfahrener, fantastischer Flamencogitarrist, begleiten mich zum lang ersehnten Wunschkonzert.

Im dynamischen Rumba-Gitana-Style gebe ich Opas Lied als vergnüglichen Starter zum Besten. Publikum und Burgvolk zeigen sich sehr angetan, vor allem, weil ich mir dabei einen Weinpokal auf den Hirnkasten stelle. Die Schülerinnen bangen: „Hilfe, jetzt ist sie völlig ausgeflippt!” Aber als ich das Geheimnis meines gesangs- und feierwütigen Ahnen während der Moderation lüfte, schöpfen sie Hoffnung, dass die Tassen im Schrank noch aufrecht stehen.

Die Sevillanas con Bastón, eine liebliche Guajira und der spritzige Garrotín gelingen den Chicas bestens! Opas Spazierstock baue ich, ihm zu Ehren, rhythmisch in meine Farruca mit ein. Mit der großen, bunt bestickten Manton untermale ich Franks herrlich gespielte Alegría. Im Finale bilden wir einen Kreis für Bulerías, welche uns ein Höchstmaß an Tempo und Konzentration abverlangen.

Alle tanzen ihr Solo ohne feste Choreo. Die strengen Kommunikationsregeln für Musik und Tanz meistern meine Flamencas mit viel Herz und Bravour, ebenso die Gitarristen. Bei der Zugabe fühle ich mich fast wie eine Katzenmama, ich könnte schnurren vor Glück!

Auch kulinarisch gesehen bleiben keine Wünsche offen, die Belegschaft der Burgschänke serviert köstliche spanische Spezialitäten. Ganz gewiss hätte Opa Peter ein Glas (oder mehr) auf dieses gelungene Event erhoben und mit uns gemeinsam stolze Freudentränen vergossen!

Kurz vor Mitternacht, wir sind todmüde mit abbauen und aufräumen beschäftigt, fegt ein kräftiger Wind durch den Schlosshof. Einige Male streicht er sanft um mich herum und es ist, als sänge mir eine altvertraute Stimme leis‘ ins Ohr:

„Bin frohen Mut’s und lasse mir vom Allerbesten geben!“

Liebe ist grenzenlos.

© Tanja Gitta Sattler 2021-05-12

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