Opus magnum

Maves

von Maves

Story

Der Abend war lau, gerade richtig für sein Vorhaben. Hin und wieder überholten ihn Radfahrer oder, je nach Qualität und Marke der Funktionskleidung in professionelle, semiprofessionelle oder normale Menschen einordnenbare; hyperventilierende, schnaufende oder zügig wie Soldaten vorbeihechtende Jogger. Im Großen und Ganzen aber Leute, die sich weder an seine Gestalt, geschweige denn sein Gesicht erinnern würden. Bisher verlief alles optimal, das Wetter spielte ihm in die Hände, ebenso der zergatschte Frosch, den er am Anfang des Weges vom Boden abgekratzt hatte. Man konnte ja nie wissen, wozu er noch gut sein könnte, auf jeden Fall erschien er ihm wichtig genug, ihn mit sich mitzuführen. Zum Glück hatte er für solche Glücksfälle immer ein kleines, luftdicht verschließbares Plasticksackerl mit. Er war schließlich kein Anfänger.

Während er weiterspazierte überprüfte er mit schnellen Griffen seinen Tascheninhalt, alles war gut, er hatte nichts vergessen. Es wäre ja wirklich eine Schande gewesen, diesen absolut perfekten Moment nicht auszunutzen. Laut Wettervorhersage sollte das Wetter noch ein, zwei Tage halten, dann käme ein Temperatursturz. Die anstehenden Minusgrade waren optimal, ein natürlicher Eiskasten, damit es noch lange möglich wäre, sein Kunstwerk zu bestaunen.

Er sah sich kurz um, suchend, als hätte er ein Geräusch gehört und versuchte nun, den Urheber selbigens zu identifizieren oder wenigstens zu orten. Im nächsten Augenblick war der Mann, der eben noch mit leicht geneigtem Kopf kurz innezuhalten schien, wie vom Erdboden verschluckt.

*

Sie wurde mit einem seltsamen tauben Gefühl im Mund wach, speiübel war ihr auch. Weder konnte sie sich daran erinnern, wie sie hier gelandet war, noch warum. Als ihr klar wurde, dass die sie umgebende Dunkelheit nicht am fehlenden Licht, sondern an ihren Augen lag, fing sie an zu schreien.

*

Er war wirklich stolz auf sein Werk. Der krönende Abschluss einer ganzen Reihe von Arbeiten, sorgsam ausgewählt und zusammengestellt, immer mit dem Gesamtbild vor Augen. Es war wahrlich nicht einfach gewesen, alle Teile zu finden, alle Einzelheiten zu bedenken, alle Artefakte zu sammeln und so zusammenzufügen, dass sie eine Einheit bilden konnten. Die ganze Arbeit hatte sich wirklich gelohnt, es war fast schade, dass sein Meisterwerk nur von kurzer, aber dafür umso intensiver spürbarer Dauer war. Mit allen Sinnen konnte es wahrgenommen werden, auch wenn das Olfaktorische und das Visuelle definitiv überwogen. Vor allem das Visuelle. Wahrlich ein Augenschmaus, dachte er mit verschmitztem Grinsen, man konnte den Blick einfach nicht davon abwenden. Was vielleicht auch daran lag, das alles ständig in Bewegung war, einladend, fordernd, lasziv, beinah obszön. Nein, in diese Richtung wollte er heute nicht gehen, das hatte er bereits erledigt, es schon zum Bestandteil seines Kunstwerks gemacht. Er reinigte sein Werkzeug, packte alles zusammen und ging.

© Maves 2021-04-13

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