Orchideen

Flora_Ska

von Flora_Ska

Story

Ich war zur Orchideen-Ausstellung des Stiftes Klosterneuburg geladen, da ich ein Buch über die Stiftsgärten lektoriert hatte. Mit einem Kollegen machte ich mich vormittags auf den Weg. Beim Eingang begrüßte uns ein Herr vom zuständigen Verlag und drückte mir sogleich ein Exemplar meines Oeuvres in die Hand. Dann ging es weiter durch die Menschenmassen und wir suchten meinen Tisch. Dabei trafen wir auf den Kämmerer, einen hochbetagten Herrn in Chorherren-Tracht, der, als er erfuhr, wer ich war, lakonisch meinte: „Eine verdienstvolle Arbeit!“

Es wurde Zeit, sich zu setzen, und ich quetschte mich an einer riesigen Palme vorbei zu meinem Platz, als mich plötzlich ein Mann in Uniform begrüßte, offensichtlich mein Sitznachbar, ein Herr Oberst R. mit Gattin, dazu kamen noch drei ältere Ehepaare. Ich dürfte die jüngste Person im gesamten Areal gewesen sein. Als ich mir allmählich darüber klar wurde, dass ich die nächsten zwei Stunden mit einem Oberst neben mir verbringen würde, während die Kellner mit Tabletts voller Sektgläser herumliefen und außerdem zwei Flaschen Weißwein am Tisch standen, sah ich ein, dass es mit dem Fasten (kein Alkohol, keine Süßigkeiten) heute wohl nichts werden würde. Spätestens, als ein Vater-Sohn-Duo mit eingespielter Musik begann, englisch-italienische Opernsongs zu schmettern, war der Fastenvorsatz über Bord geworfen und ich ließ mir bereitwillig vom Oberst ein Glas Wein einschenken.

Es folgten ein paar Reden, u.a. vom Bürgermeister, der tatsächlich den morgigen Weltfrauentag erwähnte (hier lachte der ältere Herr rechts neben mir kurz und spöttisch auf) und meinte, der Propst würde „nicht nur an diesem Tag an Frauen denken“ (man beachte die Zweideutigkeit), sondern habe noch dazu die brilliante Idee gehabt, einer Frau – nämlich der Landeshauptfrau – eine Orchidee zu widmen! Na wenn das kein gelebter Feminismus ist!

Eine weitere Rede hielt auch der Herr vom Verlag. Er stellte das besagte Buch vor und erwähnte mich, die Lektorin, sogar namentlich, woraufhin der Oberst, der mein Namensschild gelesen hatte, sogleich anerkennend zur mir blickte, beim nächsten Glas Wein sogar mit mir „auf die gute Arbeit“ anstieß und alle am Tisch Anwesenden ebenfalls davon unterrichtete, „wer ich war“. Vier Ehepaare, eines älter als das andere, prosteten mir daraufhin – ehrlich freundlich und ehrlich bewundernd – zu. Einer der Herren meinte sogar: „Wir hatten ja keine Ahnung, wer da bei uns am Tisch sitzt, so bescheiden!“ Ich war gerührt.

Nach dem Essen kam schließlich mein Kollege und fragte mich, ob ich in die Ausstellung schauen wolle. Ich verabschiedete mich also pauschal mit freundlichen Worten an die gesamte Runde und folgte ihm zu den Orchideen. Mäßig beeindruckt verließen wir die Ausstellung nach einigen Minuten wieder und kehrten an unseren Arbeitsplatz zurück. Ich war zwar etwas angetrunken, konnte aber wohl den Schein einer professionellen Lektorin (die ich so oder so nicht bin) wahren.

© Flora_Ska 2020-09-09

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