von Peter Rosenegger
Otto patrouilliert täglich in meinem Garten, meldet jeden Besuch, vom morgendlichen Zeitungsausträger bis zum Postboten gegen Mittag. Aufmerksam und unermüdlich erinnert er mich an die Gänse auf dem Kapitolhügel in Rom, die die Ewige Stadt einmal durch ihr wachsames Geschrei in aller Früh vor einem Raubüberfall gallischer Truppen gerettet hatten.
Otto entgeht nichts, zieht majestätischen Schrittes unermüdlich seine Runden. Als sich der Hund eines Spaziergängers einmal frech durch den Naturzaun zwängte, immerhin ein mittelgroßer schwarzer Retriever, konnte ich einmal mehr Ottos Mut und Furchtlosigkeit bewundern. Ohne eine Sekunde zu zögern, stürzte er sich mit ausgebreiteten Schwingen und aufgeplustertem Federkleid mit einem bisher noch nie gehörten Schrei auf den doch viel größeren Eindringling und setzte ihm mit platzierten Schnabelhieben derart zu, dass der Köter jaulend das Weite suchte. Ein übermächtiger territorialer Instinkt verleiht Otto Löwenmut und Bärenkräfte. Dieser starke Auftritt meines Freundes, so darf ich ihn inzwischen nennen, machte mich nachdenklich, kommen wir Menschen doch unerbittlich immer mehr von 2 Seiten in eine Zwickmühle hinsichtlich unserer Ernährungssicherheit schon in naher Zukunft.
Ist es auf der einen Seite der ungebremste, noch nie dagewesene Bevölkerungszuwachs, so steht dem auf der anderen Seite eine zunehmende Reduktion der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen infolge der wissenschaftlich bereits weltweit anerkannten Erderwärmung und damit einhergehenden Klimawandels gegenüber. Eine dramatische unerbittliche Doppelmühle, die unweigerlich zu Verteilungskämpfen weltweit auf dem Nahrungsmittelsektor führen muss. Spätestens im Falle eines absoluten weltweiten Nahrungsmitteldefizits.
In diesem Zusammenhang wird die von der FAO schon vor Jahren wissenschaftlich ermittelte Faustzahl von 1:7 für die Ratio zwischen der tierischen und pflanzlichen Ernährung wichtig werden. Mit anderen Worten: von der gleichen landwirtschaftlich genutzten Fläche können 7x so viele Menschen mit pflanzlichen Produkten, Reis, Getreide, Hülsenfrüchte, Kartoffel, etc. ernährt werden als mit dem energieraubenden und umweltbelastenden Umweg über Fleisch aller Art, Rind, Schwein, Geflügel. Wobei dieser Umweg gleichzeitig der mit Abstand führende treibende Faktor hinsichtlich der Erderwärmung ist. Mehr als weltweit Autoverkehr, Luxusdampfer und Flugverkehr etc. zusammen ausmachen. Die logische Forderung nach freiwilliger Umstellung von tierischer auf weitgehend pflanzliche Ernährung erscheint lediglich naiv und soll hier auch gar nicht erhoben werden, insofern als eine Änderung von Ernährungsgewohnheiten zu den langwierigsten gesellschaftlichen Prozessen überhaupt zählt.
Diese Umstellung kann demnach vermutlich nur in äußerster Not und über das Diktat des Marktes sehr schmerzlich für die Bevölkerung umgesetzt werden.
© Peter Rosenegger 2022-06-30