Ich habe im Internet mal einen Spruch gesehen, der da lautete: „When you are overthinking write, when you are underthinking read“, und da ich immer das tue, was fremde Leute im Internet mir sagen (Scherz) und Gedanken neben Nudeln tatsächlich das sind, was ich mir immer zu viel mache (kein Scherz), wobei ich Letzteres weniger dramatisch finde, da man überzählige Nudeln im Gegensatz zu überzähligen Gedanken auch am Folgetag noch verwerten kann, schreibe ich. Bei konsequenter Befolgung dieser Logik würde ein Übermaß an Gedanken natürlich nach sich ziehen, dass ich nie wieder etwas lese, doch soweit geht mein scherzhafter Gehorsam gegenüber Fremden im Internet dann doch nicht. Zugegeben, ich habe in der jüngeren Vergangenheit für meine Verhältnisse sehr wenig gelesen, nicht zu vergleichen mit den Bücherbergen, die ich in meiner Kindheit regelrecht verschlungen habe und wo vermutlich das Übermaß an Gedanken im Ursprung überhaupt hergekommen ist. Trotzdem, gerade jetzt reizt es mich, auch das Lesen wieder aufzunehmen, in all diese Geschichten einzutauchen, die mich so faszinieren, auch wenn ich allem Anschein nach die Fähigkeit verloren habe, mich in einer Geschichte zu verlieren, Raum und Zeit um mich zu vergessen, denn noch fühlt es sich eher nach Abarbeitung einer Aufgabe an – heute etwas gelesen, Check. Trotzdem hoffe ich, diese verloren geglaubte Fähigkeit irgendwann wiederzufinden, denn, um einen weiteren Spruch aus dem Internet zu plagiatieren (ja, ich weiß, dass es eigentlich plagiieren heißt): Consistency is Key, und wenn der Rhythmus und die Route erstmal wieder da sind, vielleicht finde ich dann auch ein Gleichgewicht, eine Balance zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen Denken und Nicht-Denken. Lesen, um zu stimulieren. Schreiben, um zu verarbeiten. Fernsehen, um nichts zu tun. Sport, frische Luft und gute Ernährung, um dem Körper Respekt zu zollen. Es sind nicht die großen Dinge, um die es geht, kein materieller Besitz, nicht einmal Gesundheit oder Liebe, die Voraussetzungen für Glück und Glücklichsein darstellen, die positive Psychologie hat es lange belegt und auch ich weiß es auf intellektueller Ebene. Es geht um die Art, wie man mit sich selbst umgeht, um die Loslösung von den Reaktionen anderer, um die Aufgabe von Erwartungshaltungen.
Angekommen an diesem Punkt war ich noch nie, denn angekommen ist man nie. Aber vielleicht war ich mal weiter, als ich es heute bin. Zeiten, in denen ich gelesen habe, allein und nur für mich, Zeiten, in denen ich geschrieben habe, nur für mich. Damals ging es nicht um Anerkennung oder Befriedigung irgendwelcher Erwartungen, die Dinge waren ebenso einfach wie unvermeidbar. Heute sind die Dinge nicht mehr einfach, es kommt mir zumindest nicht so vor, und nichts ist unvermeidbar, das Leben besteht aus einer schier unüberschaubaren Vielzahl an Optionen – so viele, dass sie mich lähmen, ich bin so sehr damit beschäftigt, die beste Option unter den verfügbaren Möglichkeiten auszuwählen, dass ich am Ende gar nichts tue, und das ist sicher nicht die beste Option.
Heute zumindest habe ich geschrieben. Es ist ein Anfang. Das reicht mir für heute und beendet diesen Beitrag, denn jetzt gehe ich etwas lesen, und wenn es nur ein Kapitel ist, denn auch das ist ein Anfang.
© Ignatius-B-Samson 2023-11-17