Palermo sehen und sterben

Irene Hülsermann

von Irene Hülsermann

Story

Fast jeder kennt wohl den Ausspruch: „Napoli sehen und sterben“. Bei mir müsste dieser Spruch etwas abgewandelt werden. Zum Beispiel in „Palermo sehen und sterben“, denn auf meinen Reisen ins Ausland kam ich immer wieder in brenzlige Situationen. In Palermo konnte mich mein Freund in letzter Minute von der Straße in einen Hauseingang ziehen. Fasziniert von Palermos Altstadt, hatte ich den Feuerwechsel zwischen einem Wagen der Mafia und eines Polizeiautos nicht gleich bemerkt und als ich es endlich wahrgenommen hatte, blieb ich wie angewurzelt stehen. Nur die schnelle Reaktion von Marco verhinderte eine mögliche Schussverletzung.

Noch ganz benommen von der filmreifen Situation torkelte ich hinter meinem Freund her. Als wir um ein paar Ecken gelaufen waren, erschütterte mich der Anblick der nächsten Szene. Auf einer Piazza lagen mehrere erschossene Personen und über die sich weinende Frauen beugten. In diesem Moment glaubte ich daran, dass derzeit ein Mafiafilm gedreht wurde, und suchte vergeblich die Kameraleute. Aber leider war das die brutale Realität. So schnell wir konnten verließen wir diesen schrecklichen Ort.

Dabei ist Palermo eine faszinierende Stadt und obwohl ich damals Anfang zwanzig bisher nicht den Blick für Kunst und Historie hatte, habe ich doch die Schönheit dieser Stadt gesehen. Wir drei, ein Freund begleitete uns nach Sizilien, waren von Taormina über Catania ins Landesinnere nach Calascibetta gereist und jetzt in Palermo gelandet.

Wie es damals so üblich war, trampten wir meisten und schliefen in günstigen Unterkünften. Als wir in Cefalù ankamen, machten wir es wie viele andere junge Leute und legten uns mit den Schlafsäcken an den Strand. Eine weitere Nacht verbrachten wir in einer Grotte am Meer. Ich hatte die Wertgegenstände alle auf Höhe meines Bauches gesteckt. Am nächsten Morgen trafen wir eine Gruppe Deutscher, die in der Nacht ausgeraubt worden sind. Sie lagen ebenfalls in einer Bucht am Strand und hatten ihre Taschen in der Grotte versteckt. Das war, wie es scheint, fatal, denn alles war weg.

Wir, froh, dass uns nichts gestohlen wurde, fuhren mit dem Boot auf die liparischen Inseln weiter. Auf Vulcano roch es extrem nach Schwefel, daran muss man sich erst gewöhnen. Wieder einmal schliefen wir am Strand und wuschen uns im Meer. Nur die Zähne putzte ich heimlich in einer Bar. Wegen der Wasserknappheit gab es aber nur für eine Stunde Wasser.

Wir jungen Leute störten uns nicht an diese Unannehmlichkeiten, für unseren knappen Geldbeutel gab es keine andere Möglichkeit zu reisen. Heute kann ich mir das gar nicht mehr vorstellen – ein bisserl Luxus muss schon sein!

© Irene Hülsermann 2021-03-19

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