Palmblattlesung

Dotti-on-the-road

von Dotti-on-the-road

Story

Es kommt vor, dass ich lange Zeit nicht an diese Geschichte denke. Immerhin, das von dem ich heute berichte ereignete sich vor sehr, sehr langer Zeit nämlich im Jahr 1996.

Eher zufällig und völlig unvorbereitet bin ich inmitten von Nirgendwo in einer Palmblattbibliothek gelandet. Ich hatte keine Ahnung was mich erwartete oder was ich erwarten durfte. Meine Freundin Babette hatte mich sprichwörtlich hingeschleppt. Ich hatte keine andere Wahl. Wir bereisten Südindien mit unserem privaten Chauffeur in einem alten Tata. Das klingt elitär, war es aber nicht. Manpower kostete in Indien damals praktisch nichts. Möglicherweise war es mutig so zu reisen, aber jede organisierte Reise wäre teurer gewesen.

Nun saß ich vor einem Nadi Reader und wartete gespannt auf das was kommen sollte. Der Alte hielt ein Bündel Palmenblätter, das man sich ähnlich einer Farbkarte aus dem Baumarkt denken kann. Nur eben aus alten, vergilbten Plättern gefertigt. Er begann mit einem seltsamen Frage und Antwortspiel. „Born in India?“ Ich erwiderte: „No, I am born in…“weiter kam ich nicht. „Only say yes or no“: befahl er sehr bestimmt in seinem eigenwilligen und nicht immer leicht verständlichen Englisch. Dieses Frage und Antwortspiel zog sich, da ich meist mit „NO“ antworten musste. Nach jedem „NO“ wechselte er zum drunter liegenden Palmblatt. Jetzt wird s mir fad dachte ich, als er plötzlich sagte: „Name of your Father Helmet“…mein erstes Yes kam zögerlich. Mein Vater heißt Helmut. „Name of your mother Elisabeth“. Wow, gleich zwei Treffer hintereinander. Meine Kinnlade klappte nach unten. „You are thinking about job and marriage“.Bingo! Nach ein paar weiteren YES meinerseits, gab er mir zu verstehen, dass mein Palmenblatt jetzt gefunden sei. Weiter ging es mit erstaunlich präzisen Informationen zu meiner Person. Der Mann kannte nicht nur mein exaktes Geburtsdatum sondern auch den Wochentag sowie die genaue Uhrzeit meiner Geburt. Den Wochentag, es ist ein Freitag, wusste ich selber nicht, den hab ich nachträglich recherchiert.

Ich denke, die konkreten Informationen zu den wichtigsten Stationen meines weiteren Lebens, die ich dort erfuhr tun hier nichts zur Sache. Mein Leben sollte in eher ruhigen und geordneten Bahnen verlaufen. Ich konnte mich auf meine Zukunft freuen, wenn alles so kommen sollte wie prophezeit. Und es kam so, mit ein paar kleineren Unschärfen, die ich eher auf Verständigungsprobleme zurückführe.

Wie kann es so etwas geben? Ich hab keine Antwort drauf! Aber dieses Erlebnis hat mich nachhaltig verändert und einen Paradigmenwechsel in meinem Leben, und in meinem Verhältnis zu mir selbst eingeläutet. Allein der Umstand, dass sich ein Seher vor ein paar tausend Jahren die Mühe machte ein Palmblatt für mich zu beschriften lies mich erkennen, dass ich wichtig bin. Es gibt einen Platz auf dieser Welt, den nur ich ausfüllen kann und sonst niemand.

© Dotti-on-the-road 2019-08-04

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