Dietrichsteinplatz 1. An einem Ort, der dem Klischee der italienischen Verkehrsanomie gerecht werden könnte, steht dein kleines graues Häuschen. Von außen mag es unscheinbar wirken, doch im Inneren verbirgt sich ein Paradies für alle Feinschmecker und die Hölle für alle Low-Carb-Fetischisten und gescheiterten Weight Watchers-Teilnehmer. In dieser Oase für alle Liebhaber des brodelnden Frittierfetts und fluffiger Sesambrötchen findet jeder, was er gerade für den schnellen Hunger braucht. Egal ob Cheeseburger, Kotelettesemmerl oder Leberkas, egal ob Rösti, Falafel oder Emmentaler, ob Pommes mit oder ohne Ketchup: Wurs(ch)t. Herzhafte Snacks für jeden Persönlichkeitstyp sind garantiert. Für die ganz Harten gibt’s Chili-Poppers, für die Naschkatzen und zukünftigen Diabetiker Apfelkrapferl obendrauf. Zumindest verspricht das die Auslage, vor der sich Abend für Abend die gesamte Rot-Kreuz-Mannschaft versammelt, um alles dafür zu tun, dass sie eines Tages selbst der Herzkasperl in die Windeln prackt.
Doch nicht nur die Männer im roten Anzug zieht es regelmäßig zu dir. Fahrgäste, die sich von der niemals kommenden Straßenbahn verhöhnt fühlen, Studierende, deren Mägen nach dem letzten großen Tequila-Massaker rebellieren, einsame Spaziergänger, die den Imbissbudenduft der Feinstaubkeule vorziehen: Sie alle finden Zuflucht unter deinem Dach, unter dem du ungeniert panierst und frittierst. Klar lockst du sie nicht mit edlen Zutaten, Weinen aus aller Welt oder den süßesten Überraschungen in dein Knusperhäuschen, aber im Gegensatz zur Hexe bei Hänsel und Gretel machst du wenigstens keine falschen Versprechungen. Diese Ehrlichkeit findet Anerkennung, und das schon seit 1991.
Möge der Geruch von heißem Öl noch lange die Münzgrabenstraße und die Reitschulgasse erfüllen. Mögest du noch lange Mozzarellasticks in Brötchen schlafen legen, in Cocktailsoße ertränken und damit unzählige Menschen glücklicher machen, als es ein Fitnesssalat jemals könnte.
Danke Wilding, dass es dich gibt!
© Franziska Pronneg 2021-09-23