Paolo Coelho trifft Bruder Baum

KOSCHKA HETZER – MOLDEN

von KOSCHKA HETZER – MOLDEN

Story
„Lebensbaumkreis“ Am Himmel, Wien

Es war an einem stürmischen Regentag, als Paolo Coelho „Bruder Baum“ begrüßt hat. „Hallo, liebe Kiefer!“ sagte der Brasilianer (natürlich auf Portugiesisch) hoch oben beim „Lebensbaumkreis“ am „Himmel“. So heißt der keltisch-kultische Platz im Wienerwald oberhalb von Grinzing. Ein guter Platz für ein Interview mit dem Schriftsteller, der in seinen Büchern dem Sinn des Lebens nachspürt. Neugierig auf die heutige Welt schöpft er u.a. aus alten Mythen, spirituellen Traditionen und Weltreligionen. Das machte ihn zum Kultautor – wobei so manch ein Kritiker ihn als Esoterik-Schwurbler kritisiert. Doch was ist gegen spirituelle Selbstfindung zu sagen?!

„Ich war immer neugierig. Ich wollte wissen, was der Sinn des Lebens ist. So habe ich meine spirituelle Reise begonnen und Erfahrungen gesammelt. Ich habe verschiedene Religionen studiert, Buddhismus, Hinduismus und sonst noch eine ganze Menge. Eines Tages geriet ich in eine katholische Bruderschaft. Und dann ging ich auf eine Pilgerreise von Frankreich nach Santiago de Compostela. Man geht, man denkt nach, man betet. Immer ist irgendein Mensch da, wenn man etwas braucht. Oder ein Buch, die Landschaft, Gott…Die Reise nach Santiago ist ein Pilgern von der Geburt zum Tod. Aber wir sind zu sehr an das „Kreuz“ gebunden. Auch Jesus ist nicht mehr ans Kreuz gebunden…Das Leben sollte vor allem mit Freude gelebt werden! Und nicht mit Leid“.

Anfang der Zweitausenderjahre war Coelho in Wien. Bei einem Presse-Essen saß er mir gegenüber. Wir tranken Rotwein. Ein sinnenfroher Mensch! Überall in Wien wurde der Autor von Fans umringt. Seine Bücher sind in schlichter Sprache abgefasst, für jeden verständlich. Er ist in der religiös interessierten Esoterikszene eine Kultfigur. Natürlich auch im Internet. Dort hat er 30 Millionen Follower. Coelho bezeichnet sich nicht als katholischer Schriftsteller, sondern als Schriftsteller, der zufällig katholisch ist. Und ehemaliger Jesuiten-Schüler.

„Ich bin Katholik, weil ich das gleiche Mysterium und die Andachten mit einer Gruppe von Menschen teilen möchte. Aber mein spiritueller Weg liegt in meiner eigenen Verantwortung! Und die kann ich nicht auf jemand anderen übertragen. Ich tue nicht etwas, weil es der Priester gut heißt – nur weil man dann in den Himmel kommt…Jede Religion führt zu demselben Gott. Aber man muss seinen eigenen Weg wählen und ihm folgen. Ich versuche ein guter Katholik zu sein. Was ich nicht bin. Aber ich tue mein Bestes. Der Katholizismus ist meine Familie. Ich kämpfe zwar mit meiner Familie – aber nur innerhalb meiner vier Wände“.

Auch einmal „Baum des Jahres“ sein, z.B. eine Erle, dachte ich am Ende meines Gespräches mit dem Schriftsteller oben am „Himmel“. Aber nein, knapp daneben. Ich bin nur eine Hainbuche. Die ist klein und unscheinbar. Klein und unscheinbar fühle ich mich auch in dem Esoterik-Kosmos des Buch-Zauberers Paolo Coelho. Schnell verlassen wir beide die spirituelle Baumrunde.


 


© KOSCHKA HETZER – MOLDEN 2023-08-29

Genres
Spiritualität
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