von Margit Schinerl
Mein Vater wird dieser Tage 80 Jahre. Jung oder alt. 1941 geboren. Ich bin Jahrgang 1965, das heißt er ist ein junger Vater. Mit seinen gerade 24 Jahren erscheine ich auf der Bildfläche, und war wahrscheinlich der Grund für die schnelle Eheschließung im November 1964. Bildfläche – gabs damals schon Ultraschallbilder?
Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, seit früher Jugend an harte körperliche Arbeit gewöhnt, leidet mein Vater heute noch unter seinem kaputten Kreuz vom Tragen der schweren Getreidesäcke als “Lehrling”. Dass meine Eltern – meine Mutter war noch keine 19 Jahre – diese Schwangerschaft trotz ihrer schwierigen finanziellen Situation positiv gesehen haben, ist ein wunderbares Zeichen. Ich war ob ihrer jungen Beziehung noch lange nicht geplant und dennoch willkommen!! Gute drei Jahre später folgt das zweite Kind – ein Wunschkind. Nun wird´s eng in der Firmenwohnung mit geringen Zinszahlungen. Es ergibt sich ein Kauf eines “Ackers” im Nachbarort mit der noch fernen Absicht, dort ein Haus zu bauen. Bevor damit begonnen werden kann, kommt eine dritte Schwangerschaft – diesmal nicht mehr geplant – dazwischen. Mit vereinten nachbarschaftlichen und kollegialen Kräften gelingt es, dass wir 1982 ins eigene Haus einziehen können. Ich weiss noch genau, es war Mai.
Mein Vater wohnt nun mit seiner Familie in seinem Heimatort, einem kleinen Dorf mit einem Wirtshaus, einer Kapelle und einer Greisslerin. Die Milch holen wir Kinder mit der Milchkanne vom Bauern mitten im Ort. Ich sehe den Dampf der noch eben gemolkenen warmen Milch vor mir, die Frau O. mit einem Milchheferl in meine Kanne gefüllt hat.
Ich denke mein Vater – wahrscheinlich auch meine Mutter – war in dieser Phase sehr froh und zufrieden über diese Situation. Irgendwann machen sich die Sorgen der Eltern über Kredite und wachsende Zinsrückzahlungen bemerkbar, auch ich bekomme das mit. Schulden, drei Kinder und nur ein Verdienst ist echt heavy, sag ich – der heutigen Jugendsprache nicht mächtig – mal so. Sie haben immer zusammengehalten, meine Eltern. Nach meiner Wahrnehmung haben beide zurückgesteckt, einmal hat er dann sie nachgegeben. Meine Eltern haben ein gutes Gleichgewicht gefunden zwischen Aussen- und wirklicher Sicht.
Internetbanking begann mein Papa mit etwa 70, Englischkurse sind seit Jahrzehnten Pflicht. Einen nach Australien ausgewanderten Jugendfreund besucht er in den 80er Jahren. Sein größtes Hobby aber ist der Weingarten. Das hält ihn offensichtlich jung. Seine offene und stets positive Haltung Neuem und Fremden gegenüber ist für uns Kinder immer wieder erstaunlich. Mit offenen Armen und very open minded ist er ein Vorbild. Mit Freunden aus Holland verbindet ihn eine jahrelange Freundschaft, Englisch kann er mit dem amerikanischen Teil des befreundeten Ehepaars verbinden.
Hinsichtlich Agilität ist Papa 80 jedenfalls ein Vorbild für mich.
Nicht nur in dieser Hinsicht.
HAPPY BIRTHDAY, Papa!
© Margit Schinerl 2021-11-13