Papa, das Schiff wackelt ja gar nicht

Michael Schaake

von Michael Schaake

Story

Eigentlich soll man eine Story nicht mit Zahlen beginnen, trotzdem: Fünf Jahre meines Berufslebens lebte und arbeitete ich auf Kreuzfahrtschiffen, die restlichen vierzig in Hotellerie und Tourismus. Keine Frage, ich mochte dieses Leben auf Schiffen und in fernen Ländern und nutzte gern jede Gelegenheit, Familie und Freunde mitzunehmen, auf See oder sonst wie weit weg.

1993, mit 1 1/2 Jahren bestieg mein Sohn Rick zum ersten Mal ein Flugzeug bzw. ich mit ihm huckepack, und ab nach Dakar. Ich weiß noch, der Druck vor der Landung tat ihm in den Ohren weh, er weinte, lernte aber schnell, wie man das wegschafft. Afrika gefiel ihm, so klein wie er war, er spürte, das war irgendwie anders als zu Hause. Die erste Seereise 1996, da war er vier. Seine Mutter, die Ehe inzwischen in Freundschaft geschieden, war einverstanden, wir hatten uns auf einem Schiff kennengelernt (wo sonst?), der legendären Maxim Gorki.

Wir fuhren mit TS Albatros nach Norwegen, Rick (Foto in Bergen) und ich, mein Bruder Christian, die Freunde Hannes und Geli mit der fünfjährigen Tochter Hannah, Ricks Freundin. Wir Alten waren kreuzfahrterfahren und erklärten den Kindern, wie man sich an Bord bewegt, also vor allem sich fernhalten von allen Gittern und „Mäuerchen“, also der Reling. Mit dem Standardsatz “auf dem Schiff ist alles anders” erreichte ich bei meinem lebhaften kleinen Sohn eine ungewohnte Folgsamkeit, anders als zu Hause, z.B. bei Tisch nicht rumzappeln oder: Jetzt aber ab ins Bett. Antwort: „Ja, Papa, auf dem Schiff ist alles anders.“ Er hatte sich auf diese Reise gefreut (ich auch), kannte Schiffe von meinen Erzählungen, für einen Vierjährigen Abenteuer pur, würde heute gut in die TV-Serie “Verrückt nach Meer” passen!

Auf der nächsten Reise mit sechs war Rick schon erfahren und bewegte sich selbstständig an Bord, freute sich, dass es sowas wie Seegang gibt, und sagte mir im spärlich gefüllten Salon der Maxim Gorki bei Windstärke 10 im Skagerrak: „Papa, das Schiff wackelt ja gar nicht“, was die Mehrheit der Passagiere sicher bestritten hätte, es aber nicht mehr konnte. Es folgten weitere Reisen mit Seegang, und mit zehn sagte er mir: „Papa, ich werde Kapitän.“ Jaja, dachte ich, träum mal schön, gern mit zehn! Wir reisten weiter gemeinsam per Flug, Schiff, bestiegen in den Alpen einige Berge (andere Story), begleiteter Führerschein mit 17, der Vater hat das Auto und darf, muss mitfahren.

Ein Zeitsprung: 2011 nach dem Abitur die Berufswahl, oder auch nicht. And the winner is – Kapitän! Fragte sich nur, ob in der Luft oder auf See, die Entscheidung fiel leicht: Rick ist zu groß für die meisten Flugzeugtypen, also auf See. In zwei Jahren mit dreißig hat er drei Streifen am Ärmel, Kapitänleutnant. Ich schwöre, ich habe keinen aktiven Einfluss auf seine Berufswahl genommen, hat sich halt so ergeben …

Rick wohnt jetzt in Kiel, trotzdem: Immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel, lieber Rick, und auf dem Schiff ist alles anders!

© Michael Schaake 2020-09-24

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