von Achoaq Cherif
Siehst du die Ironie? Siehst du den Witz? Ich kann dich auf so viele Arten verletzen und du würdest mich dennoch wieder in die Hand nehmen und lesen. Hattest du schon einmal eine Papierschnittwunde? Diese Art von Wunde ist so klein und harmlos, aber der Schmerz ist so groß und zerstörerisch. Manchmal wünscht man sich diese Art von Schmerz nicht mal seinem meist gehassten Feind.
Hast du damals geweint, als du dich zum ersten Mal an Papier geschnitten hast? Weil es so schmerzte, aber dir keiner glaubte? Weil die Wunde kein Blut zeigte und keine Sorgen erregte? Lieber Leser, eine Papierschnittwunde zeigt den Ernst des Schmerzes nicht, den sie tĂĽckisch mit sich bringt. Aber hasse uns nicht zu sehr, denn Papier kann keinem so schaden, wie Menschen andere Menschen verletzen. Hast du denn jemals versucht zu verstehen, warum sich Rosen mit Dornen vor dir schĂĽtzen?
Lieber Leser, hast du dich denn schon an meinen Seiten geschnitten? Natürlich wirst du nach meinen Worten jetzt sehr vorsichtig sein, nicht wahr? Aber lasse mich dir eine kleine Enttäuschung schenken. Wenn meine dünnen Seiten dich noch nicht verletzt haben, so lasse meine Worte deinem Herzen einen Vorgeschmack geben. Sie werden durch Verstand und Fleisch fliegen und direkt dein Herz in der Mitte treffen. Sie greifen gnadenlos an, denn wie du siehst, haben Worte auch scharfe Kanten, die nur darauf warten, dein Blut zu schmecken. Es wird aber keine große Wunde hinterlassen, versprochen. Es wird nur ein kleiner Schnitt sein, der aber so schmerzt wie eine Papierschnittwunde.
Siehst du nun die Ironie hinter diesen Zeilen? Wie der Witz gestrickt ist? Denn auch Papier, das so unschuldig und zerbrechlich ist, kann dir weh tun. Worte, die uns so klein und machtlos erscheinen, können dich verletzen. Und wenn dich das Papier nicht trifft, so werden es die Worte versuchen. Aber nimm es ihnen nicht böse, lieber Leser, und hasse uns nicht zu sehr, denn auch die unschuldigsten Blumen verbergen blutige Dornen hinter ihren grünen Blättern.
Dieses Buch ist voller Seiten, die darauf warten, dass du dich beim Umblättern an ihnen schneidest. Und wenn du es nicht tust, dann werden sich einige Wörter vom Papier erheben und zu deinen Fingern rennen. Sie werden deine Hände angreifen und sie mit ihren scharfen Kanten schneiden. Aber keine Sorge, du wirst sie nicht bemerken. Du wirst sie weder rennen sehen noch ihr tückisches Gelächter hören, wenn sie davonlaufen. Du wirst nur einen kleinen stechenden Schmerz spüren, der jeden Mann zu Fall bringen kann. Du wirst nicht einmal wissen, ob es das Papier oder die Wörter waren, und nur diesen schrecklichen versteckten Schmerz in deinem Herzen spüren. Denn Worte schmerzen so wie Papierschnittwunden.
© Achoaq Cherif 2022-08-28