Paranoia.

streetbirdy

von streetbirdy

Story

Das Kapitel wird schwer, denn es gibt nicht nur tiefen Einblick in eine meiner größten Problematiken, sondern macht mich auch angreifbar und ich hasse es, anderen Menschen eine Angriffsfläche zu bieten. Denn ich besitze ein überdurchschnittliches Misstrauen. Mir haben in meinem Leben viele Menschen unendlich wehgetan. Ich habe mehrfach physische und psychische Gewalt erlebt und mit jeder Tat dieser Art, wurde ich ein bisschen paranoider und misstrauischer. Don’t get me wrong: Misstrauen ist sehr gesund und jeder Mensch trägt dies in sich, was absolut überlebenswichtig ist. Dennoch musste ich mir irgendwann eingestehen, dass mein Misstrauen in andere Menschen nicht mehr gesund ist. Misstrauen und Paranoia kann ein großes Problem für Menschen mit BPD sein und bei mir ist es sehr stark ausgeprägt. Etwa vor zwei Jahren hat mich ein Polizist geschlagen, bedroht und gestalkt. Diese Erfahrung hat dazu geführt, dass ich eine immense Angst vor Behörden habe. Sicherlich ist das auch bedingt durch die PTSD, die sich daraus entwickelt hat. Dennoch verwandelte sich meine Angst irgendwann in ungesundes Misstrauen und Paranoia, die immer noch existent ist. Manchmal denke ich, dass die Polizei mich sucht, obwohl ich keine Straftat begangen habe. Dann sage ich mir: „Das ist unrealistisch. Es ist nur in deinem Kopf.“, aber dann ist da das BPD in mir, was denkt: „Ist das wirklich so unrealistisch? Ein Polizist hat dich grundlos geschlagen, bedroht und gestalkt. Sein Kollege wusste davon und hat nichts getan. Ist es wirklich so unrealistisch?“ und dann rasen meine Gedanken im Kreis. Meine Paranoia erstreckt sich auch auf andere Behörden und Institutionen, sodass ich manchmal einen regelrechten Verfolgungswahn entwickelt habe. Ob Staatsanwaltschaft, Finanzamt, das Jobcenter oder sogar das Einwohnermeldeamt – alle wollen mir schaden. Ich habe dann Angst, dass ich so ende wie Josef K aus „Der Prozess“ von Kafka. Dass ich grundlos Opfer einer Verschwörung werde, die sich gegen mich richtet. Ich weiß, dass das unrealistisch ist, aber mein BPD weiß es nicht.

Ich arbeite an mir und das täglich, was ein wahnsinniger Kampf ist, denn insbesondere in Stresssituationen sind diese verfolgenden Gedanken so unfassbar präsent, dass sie einen nicht in Ruhe lassen. Teilweise habe ich wochenlang nicht in den Briefkasten geschaut, weil ich Angst hatte, dass dort Post von der Polizei oder Staatsanwaltschaft liegt, obwohl ich keine Straftat begangen habe. Ich weiß, dass das absurd und seltsam klingt, doch so ist das mit Paranoia. Sie ist so ähnlich wie eine eigene Verschwörungstheorie. Sie hat einen wahren Kern, der irgendwann eskaliert ist, was die Paranoia so problematisch für einen selbst macht. Mein wahrer Kern ist meine negative Erfahrung mit diesem Polizisten, die nicht nur für extremes-schwarz-weiß-Denken sorgt, sondern auch dafür sorgt, dass diese Gewalterfahrung eine immense (berechtigte) Angst ausgelöst hat, die sich irgendwann in unberechtigte Paranoia, ungesundes Misstrauen und irren Verfolgungswahn umgewandelt hat.

Ich will an dieser Stelle hinzufügen, dass mein Misstrauen der Polizei gegenüber, gerechtfertigt ist. Ebenso macht meine psychische Erkrankung mich nicht unfähig, gesunde Systemkritik an der Exekutive zu üben und auf Missstände hinzuweisen.


© streetbirdy 2024-09-17

Genres
Romane & Erzählungen