Parlez-vous Englisch? – Kapitel 3

Michaela Harrer

von Michaela Harrer

Story

Isolation

Wenn man in ein anderes Land zieht, wünscht man sich, all die guten Dinge mitnehmen zu können: geliebte Menschen, das Haustier, das Lieblingssofa … Man möchte all das in einen Koffer packen, während man alles Schlechte zurücklässt: die frustrierende Arbeit, die einen fast ins Burnout getrieben hätte, der Verlust, den man erlitten hat, das gebrochene Herz, … Aber so funktioniert auswandern nicht.

Mit dem Ballast werden leider auch die vertrauten Dinge zurĂĽckgelassen, und deren Verlust schmerzt hin und wieder mehr, als erwartet.

Vor meiner Auswanderung traf ich mich beinahe täglich mit Freunden, und verbrachte viele Wochenenden mit Verwandten. In Kanada angekommen, hatte ich plötzlich niemanden mehr, mit dem ich spontan auf einen Kaffee gehen konnte, um meine Probleme zu besprechen. Mein Freund war meine einzige Bezugsperson; eine Beziehungsdynamik, die nicht viele Menschen nachvollziehen können.

Es tat weh, nicht Teil von großen Meilensteinen innerhalb der Familie sein zu können, meinen neugeborenen Neffen über den Bildschirm aufwachsen zu sehen und festzustellen, dass Großeltern mehr zu altern scheinen, wenn man sie nicht regelmäßig von Angesicht zu Angesicht sieht.

Wenn mich die Bürokratie verzagen ließ, und ich aufgrund der Zeitverschiebung bei keinem seiner Freunde Trost finden konnte, stellte sich ein Gefühl der Isolation ein, welches jenem während des Lockdowns in der globalen COVID-19 Pandemie glich.

Nach einer Auswanderung ist die einzige Möglichkeit geliebte Menschen regelmäßig zu Gesicht zu bekommen, via Bildschirm. Dies ist natürlich um vieles besser als Brieftauben und Postkutschen, verringert das Gefühl von Distanz jedoch kaum.

Mit der Zeit fand ich Freunde in Kanada, und ich gewöhnte mich an die digitalen Treffen. Dies verschaffte mir einen Vorteil, als der erste Lockdown über Kanada rollte. Im Gegensatz zu den meisten Menschen, war ich es gewohnt, dass meine sozialen Kontakte auf den Bildschirm beschränkt waren, und mein Freund von zu Hause aus arbeitete.

Obwohl mir dies die Pandemie vereinfachte, so erschwerte das internationale Reiseverbot meine Situation. Die Ungewissheit, wann mein Freund und ich unsere Familien wiedersehen konnten, lastete schwer auf uns. Das Weihnachtsfest per Videotelefonie mit der Familie verbringen zu mĂĽssen, fĂĽhlte sich deprimierend an.

Genauso wie meine Auswanderung, verstärkte die Pandemie aber mein Gefühl, dass man sein Glück nicht von anderen Menschen abhängig machen sollte. Es gilt, etwas für sich selbst zu tun, das einen erfüllte, unabhängig von sozialen Kontakten. Wie die meisten Menschen, habe ich mich in diesen schweren Zeiten hin und wieder allein gefühlt, aber dank der Erfahrungen während meiner Auswanderung, nie einsam.

© Michaela Harrer 2021-08-02

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