Passfotos

AncaBerg

von AncaBerg

Story

Wir gehören auch dazu. Die Leute, die ihren alten „Lappen“ gegen eine kleine praktische Plastikkarte umtauschen müssen. Müssen! Ja! Und viel Geld kostet das auch noch. Neue Passbilder müssen her. Schon wieder ein „Müssen“! Es reicht kein altes Foto aus unserem Repertoire. Für ein Foto in einem Dokument müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Es ist egal, ob die Frisur sitzt, die Augen hübsch geschminkt sind – besser nicht zu viel Make-Up – Hauptsache, das Gesicht ist klar zu erkennen. Die Brille muss ab, das Glas spiegelt das Licht der Kamera und dann sind die Augen nicht zu erkennen.

Wir sitzen zu zweit in dem kleinen Raum hinter dem Verkaufstresen beim Optiker. Der einzige Laden am Ort, der passtaugliche Fotos macht. Wir wollten dafĂĽr nicht erst in die Stadt fahren. Bequem gedacht.

R. ist zuerst dran. Dann sitze ich auf dem Hocker, starre in die Kamera, auf den Punkt, auf den ich gucken soll, mitten in die Linse. Blinzle einmal, bevor der Blitz aufflammt. Der Fotograf hat es nicht eilig. R. sitzt nun unter einem Stapel von Mänteln, Schals und Handtasche auf dem Besucherstuhl neben mir. Reicht mir meine Brille, damit ich das Werk des Fotografen begutachten kann. Ich starre auf der Rückseite der Kamera mein Antlitz an und bitte um einen zweiten Versuch. Vielleicht sollte ich ein wenig mehr lächeln? Der Optiker knipst ein zweites Mal. Das ganze Prozedere von vorn. Ich schaue auf das zweite Bild, möchte dann nochmal das erste sehen und entscheide mich aus dem Bauch heraus doch für das erste Foto. Mein zweites Lächeln fand ich albern. Ein Hauch von Ernst im Gesicht gefiel mir besser.

Das Foto muss ich jetzt 15 Jahre mit mir herumtragen. So richtig ĂĽberzeugt bin ich noch nicht. R. ist zufrieden mit seinem Bild. Es geht nicht besser.

Aber ich fahre ĂĽbermorgen vielleicht doch noch mal in die Stadt, fĂĽr einen dritten Versuch.

© AncaBerg 2022-11-20