von SocialBeat
Ich war siebzehn, scheiße in Mathe und noch beschissener im Verkaufen. Also wurde ich Verkäufer-Azubi. Oder das, was Leute wie Paul für eine Ausbildung hielten.
Paul – nicht sein echter Name, aber das ist eh egal – war mein Lehrherr. Ein Mann wie aus dem CDU-Stammbaum gezimmert. Jäger, Angler, Dienstwagenfahrer. In der Hosentasche ein Taschenmesser, in der Brusttasche den Playboy. Immer schön faltenfrei.
Er hatte diese Art, dich anzuschauen, als wärst du nur Luft, aber störende Luft. Und wenn du’s zu bunt triebest – also zu langsam Regale einräumtest oder nicht „Guten Tag“ sagtest wie ein dressierter Pudel – dann knallte es. Keine Metapher. Hände wie nasse Fleischklumpen, die zuschlugen. Lehrjahre seien keine Herrenjahre, hat er gesagt. Ich glaube, er hat’s sogar geglaubt.
Sein Büro war das Klo. Also wirklich. Die Herrentoilette, dritte Tür rechts, mit Sicht auf den Hinterhof und das große Lager für Sonderposten. Wenn Paul „Pause“ machte, nahm er Lesestoff mit. Keine Zeitung, nein – Magazine. Playboy, Hustler, irgendein Heft mit der Schlagzeile „Blondinen, die’s lieben, benutzt zu werden“. Ich weiß das, weil ich die Hefte gesehen hab. Er ließ sie liegen. Wahrscheinlich absichtlich.
Einmal hat er mich hereingerufen. „Kannst mal Klopapier holen!“, brüllte er durch den Laden, als wär’s ein Witz. Ich ging. Und sah’s. Eine Seite war offen: Irgendein Silikonmädchen mit gespreizten Beinen und einer Schlagzeile wie „Hier bin ich Schlampe“. Paul saß daneben, grinste wie ein Schwein im Dreck. „Schön, wa?“ sagte er. Ich sagte nichts.
Ich dachte damals, das sei normal. Lehrjahre, halt. Heute weiĂź ich: Es war einfach nur krank.
Ich blieb ein Jahr. Dann kam die Chance, in meiner Heimatstadt weiterzumachen. Ausbildung, neuer Laden, neues Umfeld. Ich dachte: Schlimmer kann’s nicht werden.
Ich darf vorwegnehmen: Es war nicht besser.
Aber immerhin ohne Porno auf dem Klo.
© SocialBeat 2025-05-27