von MISERANDVS
Als ich Richtung Wien tuckere, komme ich an einer Koppel vorbei. Ein paar wenig enthusiastische Zossen stehen gelangweilt darin. Denen wird auch warm sein. Da fällt mir ein, ich wollte schon immer was versuchen. Also drehe ich um, parke meine Schöne am Straßenrand und stapfe an den Zaun hin.
Früher hab ich gern die Sendungen mit Tamme Hanken geschaut, dem Knochenbrecher, der alle Viecher mit seinen Händen heilen konnte. Naja, fast alle. Von überall haben die Leute ihre lahmen Gäule und ihre maroden Köter angeschleppt in der Hoffnung, Tamme könnte denen neues Leben einhauchen. Und wenn der Riese aus Ostfriesland mit so einem Klepper in Kontakt treten wollte, dann machte er ein sonores Kehlen-Geräusch, das die Tiere anlockte. Und genau das wollte ich immer schon mal versuchen.
Ich steh am Zaun, schaue links und rechts. Keiner da. Und dann mache ich das Geräusch, das Tamme gemacht hat. Nix. Die Zossen ignorieren mich. Ich räuspere mich, brumme noch einmal. Wieder nix. Ob es an meinem steirischen Akzent liegt? Ich versuch es noch einmal. Etwas langsamer, etwas leiser. Und tatsächlich – einer hebt den Kopf. Ich mach’s nochmal. Das Tier schaut, wackelt mit den Ohren. Und ich brumme noch einmal. Und – ohne Scheiß – das Tier setzt sich in Bewegung her zu mir. Auf zwei Meter Abstand bleibt der Hengst stehen, schnaubt und schnauft, riecht, was ich für einer bin. “Schon ok. Musst nicht nahe kommen. Ich wollt nur wissen, ob du mich verstehen kannst.”, sage ich ganz leise. Er sieht mich an.
“Na, wo wir zwei schon mal so beisammenstehen…”, setze ich fort: “Alles fein bei dir, Hotti?” Er schnaubt. Klingt irgendwie zufrieden. Ich hab meine Arme aufm Zaun übereinandergelegt. Hotti kommt langsam näher, pustet mir seinen warmen Atem ins Gesicht und streicht mit seinen Lippen über meinen Handrücken. “Könntest dich auch mal rasieren.”, sage ich und grinse. Hotti schüttelt den Kopf. “Naja, geht mich nix an.”, grinse ich.
Ich seufze lang und laut. “Du hast es fein.”, sage ich irgendwann: “Du weißt nix vom Traurigsein.” Hotti wiehert laut. “Ahja? Weißt du doch? Erzähl mir hier bloß keinen vom Pferd!”, sag ich und lache. Und wie ich so lache, fang ich wieder an zu flennen. Das eine gibts nicht ohne das andere in letzter Zeit bei mir.
Hotti riecht die salzigen Tränen und kommt ganz nah an mein Gesicht. “Hotti…”, schluchze ich: “Bleib weg von mir! Wer mich küsst, muss sterben. So, wie sie. Hotti, … ach, Hotti. Was soll ich nur ohne sie?” Hotti drückt mir sein Maul an die Wange und gönnt sich einen salznassen Snack. Ich leg meine Hand an seinen Schädel, den er sanft gegen mich drückt.
“Das hätte alles ganz anders laufen sollen, Hotti, weißt du. Wir waren so gut unterwegs, wir beiden, und dann haben wir’s verkackt. Und nun liegt sie tot in der verdammten Kiste. Scheißdreck, elender.” Hotti schnaubt, als verstünde er.
Weit ist es gekommen mit mir. Jetzt quatsch ich schon mit Pferden.“Muss wieder los, Hotti. Danke fürs Zuhören.“Hotti und ich sind jetzt wohl Kumpels, denke ich.
© MISERANDVS 2021-06-06