von Mary Modl
Bitte nicht missverstehen, aber Familie ist â so wertvoll sie auch sein kann â manchmal ganz schön anstrengend. Besonders dann, wenn es um den Unterschied zwischen âgut gemeintâ und âgut gemachtâ gehtâŠ.
Ein fesches MĂ€derl zu sein, das war meiner Tochter schon von ganz klein auf wichtig. Durch die Gene vorbelastet? FrĂŒhweibliche Intuition? Wettbewerbsgehabe unter Minizicken? Vermutlich ein Konglomerat aus all dem und einigem mehr.
Nicolinchen liebte die Linse des Fotoapparats â Anfang der Neunzigerjahre durchaus noch hoch im Kurs â und die Linse auch die Kleine. Oma und Opa waren ja auch sehr dankbare Klicker, die sĂ€mtlichen damals japanischen Hallstattbesuchern schĂ€rfste Konkurrenz im Kampf ums beste Foto mit zahnlĂŒckenreichem LĂ€cheln machten.
Fototermin im Kindergarten war natĂŒrlich ein Highlight-Termin. Schon Tage davor wurde gerĂ€tselt, welches wohl das geeignetste Outfit dafĂŒr sein möge. Unglaublich, doch auch bereits bei knapp sechsjĂ€hrigen weiblichen Wesen kann dieses âOh-Gott-ich-habe-nichts-zum-Anziehenâ-Gen seine hysterische Wirkung in vollster BlĂŒte entfalten. Gleich am ersten Tag nach den Pfingstferien sollte die Fotosession stattfinden.
Nicht unbedingt dem Umstand des Pfingst-Festes geschuldet, stand mein Töchterl wĂ€hrend dieser Tage förmlich in âFeuer & Flammeâ und unser Heim wurde zur Modeberatungszentrale dreier Kindergartenfreundinnen in Sachen âOutfitting U7â auserkoren. Ich bewunderte meinen Schlafzimmerspiegel fĂŒr seine Geduld.
Am Tag der Tage holte der Opa die Nici etwas frĂŒher als sonst ab, um sie â so wie jeden Tag â in den Kindergarten zu bringen. SĂŒĂ sah sie aus in ihrem blau-weiĂ gepunkteten Jeansrock und gelbem Hello Kitty T-Shirt. Auf irgendwelchen Mascherl-Schnickschnack im Haar wollte sie verzichten. Zu uncool fĂŒr eine SechsjĂ€hrige.
Etwa zwei Wochen spĂ€ter meinte die KindergĂ€rtnerin beim Abholen meines Kindes zu mir, ich solle mir aus der groĂen Schachtel Nicis Fotoalbum nehmen. Gesagt, doch nicht getan. Ich konnte die Fotos meiner Tochter nicht finden. Die bemĂŒhte PĂ€dagogin half mir und â oh Wunder â wurde sie auch fĂŒndig. Da wurde mir bewusst, warum ich versagt hatte. Das abgebildete Kind tat ich mir schwer, als das meine zu entlarven: Da grinste mir ein aufgeputztes Etwas in einem zuckerlrosafarbenem Wollstoffkleid mir langen Ărmeln und einem ĂŒberdimensionalen weiĂen Spitzenkragen, der weit ĂŒber die Schultern hinausragte entgegen. Mein Blick wanderte von den mit Seidenmascherl hochfrisierten Buffi-Style-Zöpfchen hinunter zu den winterweiĂwollstrumpfbehosten Beinchen, die in weiĂen Lackschuhen mit Schnallen steckten.
Ich schluckte kurz und sprach jene Worte aus, die in die AllĂŒren des heimischen Kindergartens eingingen: âEin Pfingstwunder – ja, dieser Pfingst-Ox ist mein Kindâ.
Oma hatte zugeschlagen und Opa war ihr Komplize. Dieses Outfit ĂŒberstieg sogar die Kunst des Heiligen Geistes. Wer dafĂŒr bezahlte, ist wohl keine Frage, oder?
© Mary Modl 2020-06-01