Phantasie und pure Schönheit

Barbara Riccabona

von Barbara Riccabona

Story

Abgesehen davon, dass ich Andre Heller immer schon eigenwillig, begabt und interessant gefunden habe, liebe ich den Film “Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein”. Uli Bree, Erfinder auch der TV-Serie “Vorstadtweiber”, ist einer der Drehbuchautoren und hat Andre Hellers Buch als Vorlage mit autobiographischen Ausschnitten aus dessen Kindheit genommen. Andre Heller ist ein Jahr jünger als ich, gehört also meiner Generation an. Früher kam er mir etwas schnöselig vor, aber ich schrieb dies seinem Genie zu und konnte es dadurch relativieren. Viele Menschen hielten ihn für arrogant und gingen auf Abstand.

Heute, nach Jahren interessanter und authentischer gewordener Kreationen und Interviews, horche ich ihm gern zu und bewundere seine untrüglichen Kritiken der herrschenden Situation, aber auch der vergangenen. Seinen Humor und die präzise Beobachtung und Beschreibung menschlicher Abgründe fand ich immer schon köstlich. Er ist ein glänzender Unterhalter, spricht unaufgeregt, gewandt und gebildet. Ein richtiger Schöngeist mit Phantasie, Tatkraft und erstaunlicher Bewältigung seines ereignis-und sicherlich auch hindernisreichen Lebens. Er hat etwas zu sagen, das über seinen Ästhetizismus weit hinausgeht, ist er doch ein wirklich großer Künstler und Intellektueller. Über seine mannigfaltigen Kunstwerke brauche ich hier nicht zu berichten.

Der Film ist unterhaltend und aufwühlend zugleich. Die Schauspieler sind einfach großartig: Karl Markovics als verrückter Despot, der seinen Lebenshass an seiner Familie auslässt, Valentin Hagg, der den zwölfjährigen Protagonisten in unnachahmlicher Weise spielt, und Sabine Timoter, die meiner Meinung nach die ideale Besetzung als zarte, seltsame und unterdrückte Mutter abgibt.

Das Kind spricht am meisten in diesem Film, wenn auch nicht immer laut. Seine Phantasien zu den Vorkommnissen und zu seinem eigenen Leben und dessen Vorstellung davon erfahren wir nur gedanklich. Für den Buben selbst ist Gesagtes oder Gedachtes dasselbe: “Das hab ich doch soeben gesagt”.

Die Kulissen bieten einzigartige Gemälde, ebenso die herrschaftliche Hermesvilla als Wohnstätte und das alte Jesuitenkloster im Film vom Stift St. Florian dargestellt. Das Interieur, wo sich alles abspielt, die perfekt dazu passende Musik, die wunderschönen Kostüme der Darsteller, die schwarze Limousine mit Chauffeur, der Schlafsaal der Internatszöglinge und die vielen Nebenräume am Dachboden des Stifts mit einer Flut von Dingen, die sich dort befinden, dies alles zusammen ist einfach atemberaubend. Die set decoration hat ihr Bestes gegeben.

Als der Patriarch unter grotesken Umständen stirbt, scheinen alle befreit zu sein. Das Kind kann nun dem Internat entrinnen, die Mutter tanzt seit langem wieder, und die drei urkomischen Onkel: Bel aus Belfast, Monti aus Montevideo und Louis aus Lousiana treten bei der Beerdigung auf.

Ein gelungener Abschluss und Atmen wieder möglich!

© Barbara Riccabona 2022-03-13

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