1. Philosophische Weihnachtsfeier

Anna Theresa Schreiber

von Anna Theresa Schreiber

Story

Ein verhÀngnisvolles Event. So könnte man die Weihnachtsfeier des Fachbereichs Philosophie bezeichnen, die im ersten Jahr nach der Pandemie stattfand.

Ich, der ehemalige Philosophiedetektiv Nikodemos Haselhuhn (der inzwischen im zuviel-ten Semester studierte) hatte dem Ermitteln bereits abgeschworen. Das ehemalige Phantom und ich wollten uns nun fĂŒr edlere Dinge einsetzen. Gegen das reale Elend dieser Welt vorgehen (natĂŒrlich nicht gemeinsam, Leute, wir reden hier ĂŒber das Phantom!).

Leider begegnete ich stattdessen wieder genau dem, was ich nicht mehr in meinem Leben wollte. Einem blöden Academia-Fall. Auf der Weihnachtsfeier, in einem beschaulichen Seminarraum. Statt irgendeine bedeutende Aktion zu initiieren, die dem Friedensnobelpreis wĂŒrdig gewesen wĂ€re, bekamen wir nur wieder Ärger mit Professor Heidesand.

Vielleicht hĂ€tte ich an diesem Abend in der WG bleiben und auf die Wand aufpassen sollen. Meine neuen Mitbewohner, die beiden Maler-Lackierer hatten es nĂ€mlich darauf abgesehen. Es war immerhin eine neue Chance fĂŒr Esat, sein kĂŒnstlerisches Talent zu beweisen. Es musste ihn wahnsinnig machen, immer nur Fassaden zu streichen. Meine einstige Vermieterin Delphine hatte ihn fĂŒr sein Sokrates-Wandbild in meiner alten Dachkammer ja ĂŒber den Klee gelobt. Nun ja, sie war eben Philosophieprofessorin, die beim jĂ€hrlichen Treffen mit ihrem alten Pariser Kommiliton*innen neuerdings wohl gern Kuratorin spielte: „Et voilĂ ! Er kann es wirklich schon mit Banksy aufnehmen!“

Aber ich wollte mich nicht schon wieder vor dem kritischen Blick eines Philosophen in Streetart-Optik gruseln.

Delphine und mein Kommilitone Sven hatten mich gefragt, ob ich die philosophische Weihnachtsfeier besuchen wĂŒrde.

Was hĂ€tte ich denn sagen sollen? „Nee, ich muss die Wand im Auge behalten“ ? Unmögliche Ausrede. RĂŒckblickend war meine Sorge um die Wand sogar unbegrĂŒndet, es gab keine unerlaubte Gestaltung bisher.

Das bedeutet aber nicht, dass es eine gute Entscheidung war, diesen Abend an der Uni zu verbringen. Meinen Ruf als seriöser Student hatte ich dadurch endgĂŒltig ruiniert.

Ihr wollt diese Geschichte ĂŒber meinen ruinierten Ruf wirklich hören, oder? Ja, ich weiß, ein anonymer Fan wollte tatsĂ€chlich „mehr von Nikodemos Haselhuhn“. Kaum zu glauben. Da haben mein Biograf und ich doch ganze Arbeit geleistet. Luise und das Phantom lĂ€stern immer ĂŒber meine Biografie, obwohl sie darin vorkommen! Nun ja, vielleicht können fremde Leser*innen unser Werk ja fairer beurteilen als mein befangenes Umfeld. Also gut. Hier mein unrĂŒhmliches Weihnachts-Special:

Als ich an besagtem Abend Mitte Dezember mit Sven den Raum der Weihnachtsfeier betrat, erwarteten mich zwei bis vier böse Überraschungen.

(Ja, liebe Freund*innen der Weisheit, hier haben wir leider schon den ersten Cliffhanger!)

© Anna Theresa Schreiber 2022-12-16

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