Piazza del Duomo

Daniela Neuwirth

von Daniela Neuwirth

Story

Dolce und Gabbana wendet die morgendliche Modeshow-Inspirationsstunde für Herbst und Winter ein Stück zum Guten. Die männlichen Models scheinen wie aus einer anderen Zeit in der italienischen Küstenumgebung, sind kräftig und tragen dass, was sich jeder am Körper wünscht: Goldsamt, schwarze Seide, luxuriösen Brokat über Jeans und glitzernde Gladiatorenumhänge kombiniert mit Box-Weltmeistershorts und Riemensandalen.

Sie fühlt sich sichtlich wohler, wenn der Fashion-Bogen die Vergangenheit in die Gegenwart spannt, als bei den futuristischen, kühlen, androgynen Workerdressen anderer Shows. “Wo sind die Frauen im Dolce-Herbst?” Fein säuberlich aneinandergereihte Boote, ebenso herausgeputzt, wiegen sich sanft am stillen Hafen-Ozean bei gutem Wetter, während die Male-Models zwischen übergroßen Ton-Blumentöpfen mit großen, skulpturalen Kakteen auf quadratischen, antiken Steinen oder Holzstegen auf und ab laufen.

Sie sind dunkelhaarig, mit kantigen Gesichtern, der Gang nicht zu schnell, die Schultern bewegen sich kaum, die Arme dürfen leicht schwingen. Die Abendstimmung am Horizont sorgt für die natürliche Lichtshow. Es wird ein wenig eintönig ohne feminine Leichtigkeit.

Es fehlen die Farbtupfer und luftige Opulenz der Damenkleider, obwohl nun die Herren in schwingenden Röcken und Kleidern auftreten. “Wenn die sich nun selbst schmücken und keine Schmuckstücke mehr an ihrer Seite brauchen für den gesellschaftlichen Auftritt, haben wir uns dann selbst weggegendert? Da muss es noch etwas anderes geben!“ Sie klickt weiter zur Full Show.

Ein intensives Streichkonzert empfängt sie akustisch und visuell strahlend weiß polierter Stein eines Palazzos und deren Treppen davor. “Da könnte sich Berlin mal ein Beispiel nehmen.” Sie rückt ein wenig nach vor und sieht genauer hin. “Sieht aus, wie eine Opernkulisse ist aber echt.” Die Mode ist ebenfalls theater-, film- und opernreif.

“Wenn die in Fashion Oper machen, was macht dann die Oper?” grübelt Lilly. Die schneiderischen Meisterstücke positionieren sich neben- und hintereinander. Was im Auge stört, sind die schwarzen Kutten über Damen, die auf Treppen sitzen, als wären sie übergroße Fledermäuse und würden auf Krümelchen Brot warten und das schwarze, sizilianische Kopftuch sowie schwarze Spitze, die das Gesicht verhängt.

Nach 33 von 40 Minuten tauchen die ersten Farbtupfer in der Schwarz-Weiß-Gold-Einöde auf. Himmelblaue, orange und gelbe Opulenz bereitet den knallroten Auftritt der finalen Robe vor. Lilly wäre froh, wenn sie in ihre Jeans von 2017 wieder passen würde, die in der Kombi mit farbigen Blusen und Pumps einfach unschlagbar sind für den Insel-Alltag. “Ich sollte auch laute, klassische Musik abspielen, wenn ich mich ankleide!” lacht sie, während nun lange, leichte, rote Opulenz als Umhang mit Drei-Meter-Schleppe über einem transparent-schwarzen, kurzen Negligee den weißen Bodenstein vorm Palazzo noch sauberer fegt.

© Daniela Neuwirth 2022-09-11

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