von Flaco
es ist noch keinen halben tag her, dass ich diesen sack auf meinem rücken getragen habe, vielleicht 10 kg, sie hat viel abgenommen in letzter zeit, zu viel. 10 kg fell, fleisch und knochen, nicht viel mehr und doch so viel mehr für mich, ein lebensabschnitt. es mag manchem übertrieben erscheinen, aber wenn in meiner familie über etwas aus der vergangenheit gesprochen wird, kommt irgendwann die sprache auf den hund dieser zeit. meine ersten lebensjahre, erste wohnung als familie, das haus meiner eltern, sommer und winterurlaube, meine adoleszenz, meine beziehungen, immer habe ich, wenn ich die augen schließe, auch das bild des dazu passenden hundes und seines persönlichen charakters im kopf. der grummelige dackel, der meinen kinderwagen mit seinem leben verteidigt hätte, der stets naiv gut gelaunte boxer, den ich mir als kind, wenn ich magenschmerzen hatte auf den bauch legte. der andere, um einiges schärfer als der erste, dem es so unglaublich peinlich war, dass er sich vor freude anpinkelte, wenn ich von meinen reisen zurück kam. charley, der hund meines bruders, der einen kaum zu beendenden tanz mit viel gekläffe aufführt, wenn onkel flaco ankommt, weil er weiß, dass das spaß bedeutet und schon auch mal etwas zu fressen, bei dem meine schwägerin, wenn sie es merken würde, einen halben herzanfall bekäme. speck ist nicht gut für hunde! (zweifellos. für menschen aber auch nicht, so what?). was wird charley traurig sein, wenn ich das nächste mal ohne seine cousine auftauche. ich weiß, dass er verstehen wird, warum das so ist und bin sicher, dass er mir nicht von der seite weichen wird um mich zu trösten so gut er kann.
meine damalige freundin hat sie auf der seite von „animal hope“ gefunden, ein 4 monate alter beagle-terrier mischling aus einer ungarischen tötungsstation. bei einem „unverbindlichem mal anschauen“ kommt es zu dem, jedem hundemenschen bekannten phänomen, dass sofort klar ist, dass dieser hund zu mir gehört und ich zu ihm. wegen ihrer ungarischen herkunft, nennen wir sie „piri“ (kurz für piroschka, „die rote“). als sie kaum 2 jahre alt ist erwischt mich eine potentiell tödliche krankheit, die mich einige zeit an der grenze entlang wandern lässt und für weitere 2 jahre auf die matte wirft. piri eng an meiner seite. meine familie ist einhellig der meinung, dass ich es (auch) ihr zu verdanken habe, dass ich noch am leben bin. in dieser zeit haben wir viel voneinander gelernt. ich ihre art von kommunikation und sie die meine, unter anderem. meine mutter nennt sie „den sprechenden hund“. von ihr habe ich erfahren was wichtig ist im leben, auch wenn ich es immer wieder so halb scherzhaft sage, aber „fressen, kuscheln, spielen und das möglichst alle zusammen!“ ist eine gute zusammenfassung von dem, was wirklich wichtig sein sollte. während ich schreibe blingt immer wieder mein handy, familie und freunde aus verschiedenen ländern, von verschiedenen kontinenten. wer sie kannte war von ihr beeindruckt. wir waren ein gutes team. dass sie gerade an der krankheit sterben musste, die ich überlebt habe, gibt mir zu denken. ich werde sie nie vergessen, oder zumindest, zeit meines lebens nicht, soviel kann ich versprechen. einstweilen fehlt sie mir nur ganz fürchterlich.
© Flaco 2024-06-27