Plagegeist: Verknuddel- und Verknäulung

Bernd Schreiber

von Bernd Schreiber

Story

Ich hoffe, dass jeder von uns seinen Schutzengel hat, aber leider gibt es auch das Pendant dazu: seinen persönlichen Plagegeist, so einen Nervtroll. Der ist nicht allgemein bösartig, sondern bei jedem auf ein bestimmtes Thema spezialisiert. Manche sind Ampelpeiniger, die einem die Ampeln immer gerade rot werden lassen, bei anderen sind öffentliche Toiletten besetzt, wenn man nötig muss. Diese Plagen sind nicht lebensbedrohend, aber Zeiträuber und sie nerven. Man muss halt warten oder alternativ noch bei dunkelgelb über die Kreuzung fahren bzw. sich in die Hosen machen.

Alles nicht mein Thema, mein Dilemma sind Schläuche, Kabel und Schnüre. Wenn ich mit dem Gartenschlauch Blumen gieße und weitergehe, kommt kein Wasser mehr. Der Schlauch ist geknickt oder verschlingt. Verschlingt sich knotend selbst oder stellt sich beim Zusammenlegen mir drohend entgegen als wolle er mich umschlingen.

Elektrische Kabel, ganz schlimm. Ich schmeiße kein Netzteil weg, könnte man ja noch gebrauchen. Seit gut 50 Jahren habe ich eine erkleckliche Anzahl von Elektroschnüren in Schuhkartons und Plastikbeuteln gesammelt. Die habe ich vorher nicht verknotet, sondern immer einzeln reingelegt. Will ich aber aus einem Karton ein Netzteil rausnehmen, geht das nur im Stück, alle anderen kommen mit, ineinander verknuddelt und verknäult. Dann vergeude ich wertvolle Lebenszeit, um das gewünschte Teil aus dem Wirrwarr zu befreien. Da muss ein böser Geist mit im Spiel sein!

Nervig sind auch diese gewundenen Rasier- und Telefonapparatschnüre, die man langziehen kann und die anschließend wieder zusammenschnurren. Verdrehen bei mir. Ich hatte früher so ein grünes Wählscheibentelefon, da ließ ich den Hörer – an der Schnur baumelnd – solange unten wild kreiseln bis er zur Ruhe kam oder dem Gesprächspartner am anderen Ende schwindlig wurde.

Supergau sind Weihnachts-Lichterketten, 8 Stränge mit 400 LED Lämpchen, um einen Baum zu behängen. Geht gar nicht. Wenn die geordnet sind, bringe ich die im Baum draußen zwar an, nehme sie im Januar auch wieder runter, aber den Drahtsalat zusammenlegen macht dann Marion, mit Engelsgeduld. Sie meint, meine schlechte Erfahrung mit Lichterketten rühre daher, dass ich sie nach Gebrauch als Knäuel in die Verpackung stopfe, anstatt sie ordentlich aufzufädeln. Ich weiß nicht, ich glaube, Schnüre jeglicher Art verheddern über die Zeit von ganz alleine. Ein Pullover ist auch nichts anderes, verhedderte und ineinander verschränkte Wollfäden, halt nur systematisch.

Wenn ich meinen Plagegeist schon nicht loswerde, dann nutze ich ihn einfach für mich. Ich werde Anfang Dezember 3 Wollknäuel unterschiedlicher Farbe in einen Schuhkarton packen, Deckel drauf und ruhen lassen. An Weihnachten lege ich ihn unter den Gabentisch, öffne ihn zur Bescherung und kann ihm hoffentlich einen schönen neuen Pullover entnehmen. Und wenn’s nicht klappt, müsste es aber wenigstens für ein Paar Topflappen reichen.

© Bernd Schreiber 2021-05-23

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