von Sabine Walther
„Steh doch endlich auf“, sagst du, „geh doch mal raus, mach doch mal was aus deinem Leben. Sei doch vernünftig, du kannst dich doch nicht für immer hier verstecken“, fügst du hinzu.
Mein Herz verkrampft sich, mein Mund will entgegnen, doch die Worte wollen sich nicht fügen, wie sollten sie auch, ahne ich doch nur die Dinge und die Menschen, aber ich kenne nicht ihre Namen und weiß sie nicht zu gebrauchen.
Ach, Ihr nützlichen, nutzbaren Menschen, ein Abgrund ist Euch meine Seele, ein wenig verlässlicher Ort, Projektion versteinerter Ängste, bespielt und bewacht vom Dämon Eurer Sehnsucht, in all den Momenten, in denen Ihr verständnislos schaut, was ein anderer leidet für Euch, um Euch, an Eurer Stelle.
Vor meinen Füßen ladet Ihr es ab, Euer Nichtgewolltsein, Euer Unvertrauen, Euer anstrengendes Als-Ob, das Euch zwingt, immer zu wissen, was zu tun ist, geschäftig und verständig und so überaus optimiert.
Und so nehme ich Eure heimliche Qual, schlucke, kaue, verdaue sie, kauere und verharre, richte mich auf, nur um zu bitten, kein Blitz möge Euch treffen, kein Feind Euch zerschmettern, kein Gott Euch zerquetschen wie lästiges Lügengewürm.
„Steh doch endlich auf“, sagst du. „Mach doch mal was aus deinem Leben!“ Sei doch vernünftig, du kannst dich doch nicht für immer hier verstecken“, fügst du hinzu.
Wohl denn, der Platz ist frei. Du hast es nicht anders gewollt. Nimm ihn, fülle ihn, ertrage ihn.
© Sabine Walther 2024-03-10